Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

— 210 — 
selbst begann zuerst häufiger die Standeserhöhungen als bloße Titel zu 
verleihen. Viele Bürgerliche erhielten sogenannte „Adelsbriefe", und 
hiermit das Wörtchen ..von" vor ihren Namen, meist für baares Geld. 
Um der Nachfolge seines ältesten Sohnes Wenzel gewiß zu sein, 
versprach er jedem Kurfürsten für seine Stimme Hunderttausend Gulden. 
Das Geld wirkte. Nach Karl's Tode, im Jahre 1378, wurde Wenzel 
als Nachfolger gekrönt. 
Unter der Regierung Karl's wurde nicht nur Deutschland, sondern 
fast alle Staaten Europas von furchtbaren Unglücksfällen heimgesucht. 
Zuerst brach eine schreckliche Hungersnoth aus, die eine große Menschen¬ 
menge hinwegraffte. Darauf folgte ein furchtbares Erdbeben, welches 
viele Tausende unter dem Schutte einstürzender Mauern begrub. Fast 
gleichzeitig brach eine Pest aus, die unter dem Namen „der schwarze 
Tod" ganz Europa durchzog und mehre Millionen Menschen dahin- 
raffte. Angst und Verzweiflung bemächtigten sich aller Gemüther. Nur 
durch strenge Bußübungen glaubte man den sichtbaren Zorn des Him- 
mels versöhnen zn können. So kam die Secte der Flag ellanten 
oder GeiMr auf, die halb nackt in großen Scharen Stadt und Land 
durchzogen, sich blutig geißelten und die größten Ausschweifungen begin¬ 
gen. Durch sie entstand auch eine allgemeine Judenverfolgung, bei 
welcher unmenschliche Grausamkeiten verübt wurden, denn die Juden, 
hieß es, hätten durch Vergiftung der Brunnen die Pest veranlaßt. 
69. Wnezel (1378—1400), Ruprecht von der Pfalz 
(1400-1410). 
Wenzel, Karl's ältester Sohn und Nachfolger, zeigte sich anfangs 
thätig für den Frieden in der Kirche und im Reiche. Später aber kümmerte 
er sich wenig um die Angelegenheiten in Deutschland, wo sich die Städte 
gegenseitig in grausamer Weise bekriegten. Unter der Regierung eines 
so unthätigen Fürsten wogte das Faustrecht mit allen seinen Gräueln 
wieder auf. Nirgends war mehr Ruhe, nirgends Sicherheit, alle Stra- 
ßen waren mit Räubern angefüllt. In dieser Noth, als das Reichs- 
oberhaupt keinen Schutz mehr gewährte, suchten sich die Unterthanen so 
gut als möglich selbst zu helfen. Die meisten Städte verbanden sich 
unter einander und schlössen im Jahre 1389 einen allgemeinen Land¬ 
frieden auf sechs Jahre.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.