Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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er den Vorschlag, daß die Katholiken und Protestanten einige gelehrte 
und rechtschaffene Männer aus ihrer Mitte wählten, die zur Erhaltung 
der Ruhe und Einigkeit im Reiche eine einstweilige Glaubens¬ 
richtschnur, nachher das Interim genannt, weil es nur einstweilen, 
Bis zur Entscheidung des allgemeinen Conciliums, gelten sollte, entwer¬ 
fen möchten. Die Absicht des Kaisers war wohlwollend und edel; des¬ 
halb gaben auch alle ihre Beistimnmng. Von katholischer Seite wurde 
Julius Pflug, der Bischof von Naumburg, und Michael Helding, der 
Weihbischof von Mainz; von protestantischer Johann Agricola, Hofpre¬ 
diger des Kurfürsten von Brandenburg, hiermit beauftragt. In der von 
ihnen entworfenen Glaubensvorschrift wurden alle sieben Sakramente 
noch beibehalten, und den Protestanten nichts als der Kelch beim Abend¬ 
mahle und die Priesterehe gestattet. Als der Aufsatz vorgelesen wurde, 
und Keiner dagegen etwas einwendete, stand sogleich der Kurfürst von 
Mainz auf und dankte im Namen der sämmtlichen Stände für die kaiser¬ 
liche Fürsorge. Aber gerade der, von welchem der Kaiser die wenigste 
Schwierigkeit besorgt hatte, Moritz von Sachsen, erklärte: „er könne 
ohne vorgängige Rücksprache mit seinen Geistlichen das Interim nicht 
annehmen." Karl gab nach, in der festen Ueberzeugung, daß sein alter 
Ireuud und Waffengefährte das gewiß annehmen würde, was selbst seine 
früheren Feinde bereits angenommen hatten. Aber in der Seele des 
neuen Kurfürsten waren nnterdeß auch neue Plane reif geworden. Er 
hatte ja vom Kaiser erlangt, was er wünschte, und war hierbei an der 
Sache feiner eigenen Glaubensgenossen sogar zum Verräther geworden. 
Jetzt wollte er als Haupt der protestantischen Partei eine große Rolle 
spielen, an der Spitze eines Heeres den arglosen Kaiser von der Höhe 
seines Glückes plötzlich hinabstürzen und ihm Gesetze vorschreiben. Eine 
Gelegenheit zur Durchführung seiner verrätherischen Plane gegen Kaiser 
und Reich ließ nicht lange auf sich warten. 
Unter den Städten des schmalkaldischen Bundes war am Ende 
Magdeburg noch die einzige, die sich mit dem Kaiser nicht ausgesöhnt 
hatte. Mit wüthenden Schmähungen erhob sie sich gegen das Interim 
und dessen Verfasser und verhöhnte selbst den Kaiser in Bildern und 
Liedern. Ueber solche Verwegenheit entbrannte des Kaisers Zorn. Er 
sprach die Reichsacht über sie aus und übertrug dem Kurfürsten Moritz 
die Vollstreckung. Auf diese Weise bekam Moritz den erwünschten Anlaß 
und zugleich die Mittel, ein mächtiges Kriegesheer auszubringen, das er,
	        
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