Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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seine Geschichte „mag dem Zaghaften Mut geben und ihm Beharrlichkeit 
einflößen, sie möge jeden warnen, das Geringste zu verachten, jeden vor 
Hochmut bewahren". Und als er 1876 in bescheidener Zurückgezogenheit 
den Festtag seiner 50jährigen Geschäftsübernahme beging, da kündete ein 
Anschlag an diesem Häuschen seinen Arbeitern diese goldenen Worte: 
„Vor fünfzig Jahren war diese ursprüngliche Arbeiterwohnung die 
Zuflucht meiner Eltern. Möchte jedem unserer Arbeiter der Kummer 
fernbleiben, den die Gründung dieser Fabrik über uns verhängte! 25 Jahre 
lang blieb der Erfolg zweifelhaft, der seitdem allmählich die Entbehrungen, 
Anstrengungen, Zuversicht und Beharrlichkeit der Vergangenheit endlich so 
wunderbar belohnt hat. Möge dies Beispiel andere in Bedrängnis er¬ 
mutigen, möge es die Achtung vor kleinen Häusern und das Mitgefühl 
für die oft großen Sorgen darin vermehren! 
,Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein, dann 
bringt Arbeit Segen, dann ist Arbeit Gebet!"' 
Der Umfang des Unternehmens war bereits damals derart bedeutend, 
daß es durch kein zweites Geschäft der Welt übertreffen wurde; er war 
aber nur der außerordentlichen Einrichtnngsgabe seines Begründers möglich. 
Gleichviel, ob Krupp im fernen Spanien gewaltige Eisengruben ankaufte, 
um die Erze für seine Werke auf eigenen Schiffen zu günstigen Bedingungen 
zu beziehen, gleichviel, ob er mit einem Aufwand von Hunderttausenden 
einen eigenen Schießplatz für seine Schießversnche schuf, gleichviel ob er 
über die geringste Einzelheit irgend eines Teiles einer Fabrikanlage zu 
entscheiden hatte — er verwandte stets die gleiche Sorgfalt, dieselbe Arbeits¬ 
kraft auf seine Aufgabe. Er wußte, was wir nur zu oft im Leben ver¬ 
gessen, daß das Größte sich aus vielen kleinen Einzelheiten zusammensetzt, 
und daß diese vernachlässigen, das Ganze aufs Spiel setzen heißt. 
„Ordnung halten" war sein oberster Grundsatz. So großherzig 
und gerecht er allen seinen Untergebenen gegeniiber war, die ihn wie einen 
Vater verehrten, er verlangte von jedem die straffste Unterordnung, den 
unbedingten Gehorsam. Tat er seine Pflicht, so war er sicher, vollauf 
Arbeit zu finden, selbst dann, wenn die Fabrik in Zeiten wirtschaftlichen 
Niederganges mit Verlust arbeiten mußte. 
Im Jahre 1881 betrug die Gesamtzahl der von Krupp beschäftigten 
Arbeiter bereits 19605, und er gab, wenn man die Familienglieder mit¬ 
zählt, 65381 Menschen den Lebensunterhalt. Es waren die Kruppschen 
Unternehmungen zu einem kleinen „Staat im Staate" herangewachsen. 
Das Werk zu Essen galt als eine der größten Sehenswürdigkeiten Deutsch¬ 
lands. 
„Rast' ich, so rost' ich!" Die Wahrheit dieses Grundsatzes kannte 
niemand besser als Alfred Krupp, und zu keiner Stunde, auch nicht auf 
dem Gipfel seiner Erfolge, vergaß er ihn zu betätigen. Es gab für ihn 
keinen Stillstand, es gab für ihn nur die Fortentwicklung. Ganz so wie
	        
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