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und langsam unter heiligen Gesängen und Gebeten bewegte
sich der Zug zuerst nach dem Oelbergs, wo ein Geistlicher,
Namens Arnulf, dann Peter der Einsiedler ihre Stimme er-
hoben und in Reden voll Feuer zur Tapferkeit, Ausdauer
und Einigkeit ermahnten. Die Saracenen dort oben wußten
nicht, was dieses Ziehen hin und her, dieses Singen und Lob-
preisen da unten zu bedeuten habe. Sie verhöhnten die Chri-
ften von der Mauer herab, äfften ihre heiligen Gebräuche nach
und schössen mit Pfeilen nach ihnen. In der folgenden Nacht
wurden in aller Stille die beiden Thürme rasch an der äußeren
Mauer aufgerichtet. Andere brachten Sturmleiter, Wurf-
Maschinen und Mauerbrecher herbei. Mit dem Anbruche des
Tages begann der Sturm. Gleich wüthendeu Löwen rannten die
Christen gegen die Mauern an; aber die Saracenen schleuderten
Steine, Balken und Gefäße mit Schwefel und siedendem Oele
angefüllt auf ihre Köpfe hinab; brennende Pfeile setzten ihre
Kriegsgeräthe in Brand. So kam der Abend heran; ermattet
mußten die Christen sich zurückziehen; alles Blut, aller Schweiß
war vergebens verrouneu. Nur der Umstand tröstete sie, daß
die Feinde nicht im Stande gewesen waren, das heilige Kreuz
zu verletzen, welches man auf dem Thurme Gottfrieds von
Bouillon errichtet hatte.
Am folgenden Tage erneuerte sich der Kampf noch grim¬
miger, als am vorhergehenden; denn jener mißlungene Versuch
hatte ihre Wuth nur noch mehr entflammt. Aber alle Tapfer-
keit der Christen brach sich an der verzweifelten Gegenwehr der
Türken. Sieben Stunden hatte bereits der mörderische Kampf
ohne Erfolg gewährt, viele Christen wichen ermüdet zurück und
verzweifelten am dem glücklichen Ausgange; da erschien plötzlich
auf der Höhe des Oelberges ein Ritter in stralender Rüstung
und verklärter Gestalt und streckte feine Waffen über die unten
tosende Stadt aus, als wollte er die Christen zu rüstiger Fort-
setzung des Kampfes ermahnen. Er wurde allgemein für einen
Gesandten Gottes angesehen, und neuer Muth kehrte sogleich