1
— 191 —
als Bube oder Page im Dienste seines Herrn und im ehr¬
furchtsvollen Umgange mit Edelfrauen die Anfangsgründe der
Rittertugenden. Er wartete bei der Tafel auf, säuberte die
Waffen, hielt seinem Herrn beim Aufsteigen den Bügel und übte
sich im Fechten, Schießen und Reiten, um seinen kleinen Körper
gewandt und stark zu machen. Im vierzehnten Jahre ward er
durch Umgürtung eines Schwertes, welches vom Priester am
Altare feierlich eingesegnet war, wehrhaft. Nun hieß er Knappe
(Knabe) oder Junker. Von nun an begleitete er seinen Herrn
zu jeder Stunde und zu jedem Geschäfte, zu der Luft der Jagd,
der Feste und Waffenspiele, so wie in den Ernst der Schlacht.
Treue Anhänglichkeit an seinen Herrn war die erste Pflicht.
Und hatte er in der Schlacht mit Schild und Schwert seinen
Herrn gerettet, so trug er den größten Ruhm davon, den ein
adeliger Jüngling sich erwerben konnte.
Hatte der Knappe unter diesen ritterlichen Uebungen das
ein und zwanzigste Jahr erreicht, so konnte er zum Ritter ge¬
schlagen werden. Zu dieser wichtigen Handlung mußte er sich
durch den Empfang der heiligen Sakramente, durch Fasten und
Beten vorbereiten; auch mußte er sich zuvor baden und eine
Nacht in voller Rüstung in einer Kapelle zubringen. Und kam
dann endlich nach langem Sehnen der Morgen des Tages, wel-
cher d-er schönste und glorreichste in des Jünglings Leben war,
so wurde er im feierlichen Zuge zur Kirche geführt. Knappen
trugen die Rüstung, den Streitkolben, den Schild und das
Schwert; Edelfrauen den Helm, die Sporen, das Wehrgehenk.
Ehrfurchtsvoll knieete der Knappe am Altare nieder und be-
schwor mit feierlichem Eide das Gelübde: die Wahrheit zu reden,
das Recht zu behaupten, die Religion sammt ihren Häusern und
Dienern, alle schwachen und Unvermögenden, alle Wittwen und
Waisen zu beichirmen, keinen Schimpf gegen Edelfrauen zu dul-
den und alle Ungläubigen zu verfolgen. Hierauf empsing er
aus der Hand eines Ritters oder einer Edelfrau Sporen, Hand-
schuh und Panzer. Nun knieete er vor dem Ritter nieder, der