Full text: Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

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zur Herrschaft zu bringen, hat er Unwillen und Gährung in allen Teilen 
des Reiches und unter allen Ständen hervorgerufen. Die Nieder- 
länder gingen in ihrem Trotze so weit, daß sie dem Kaiser, der eben aus 
dem Türkenkriege, an welchem er als Verbündeter Rußlands teil ge- 
nommen hatte, krank nach Wien zurückgekehrt war, den Gehorsam auf- 
kündigten und die kaiserlichen Beamten verjagten. Obgleich er all- 
gemeine Verzeihung versprach und sogar versicherte, ihnen alle Vorrechte 
wieder herstellen zu wollen, so blieben sie dennoch bei ihrem Trotze und 
verschmäheten jede friedliche Unterhandlung. Au gleicher Aeit traten 
die Ungarn mit Beschwerden gegen die österreichische Regierung auf und 
forderten ihre alten Rechte und ihre alte Verfassung zurück. Joseph 
versprach, auf dem nächsten Landtage ihren Beschwerden abzuhelfen; 
aber die Ungarn verlangten augenblickliche Abhülfe. — Da erklärte der 
tiefgebeugte Kaiser im Januar 1790 alle seit seinem Regierungsantritte 
gemachten Einrichtungen uud Gesetze für aufgelöst und zerstörte so mit 
einem Schlage den mühsamen Bau seines ganzen Lebens. Nur das 
Toleranzedikt und die Aufhebung der Leibeigenschaft sollten bestehen 
bleiben. Die Einsicht in seine verfehlte Regieruugsthätigkeit erfüllte den 
Kaiser mit tiefem Gram, der die Tage seines Lebens kürzte. Er starb 
schon am 20. Februar 1790. „Ich wünsche," sagte er kurz vor seinein 
Tode, „man schriebe auf mein Grab: Hier ruhet ein Fürst, dessen Ab- 
sichten rein waren, der aber das Unglück hatte, alle feine Entwürfe 
scheitern zu sehen." 
4. England und Nordamerika. 
England unter den drei ersten Königen aus dem Hause Hannover. 
— Nach dem Tode Wilhelms III., welcher, wie wir früher hörten, der 
Herrschaft der Stuarts in England ein Ende machte und demnächst als 
Gegner Ludwigs XIV. so bedeutsam in den Gang der europäischen 
Verhältnisse eingriff, folgte zunächst dessen Schwägerin, die Königin Anna 
(1702—1714), unter der freilich der Einfluß des Jnselreiches zur See : 
gehoben und auch Englands auswärtige Besitzungen vermehrt wurden, 
die aber sonst nicht von höherer Bedeutung gewesen ist. — Um so wich- 
tiger wurde für die Geschicke Großbritanniens die Fürstenfamilie, welche 
nach Annas Tode die Krone erlangte. Das war das Haus Hannover- ! 
©ein Anrecht auf den englischen Thron rührte von der Prinzessin Elv 
sabeth her, der Tochter des Königes Jakob I., welche mit jenem Unglück-
	        
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