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welcher er sich zum gemeinen Manne herabließ, vor Allem aber
das Geld, welches er mit reicher Hand an das Volk spendete,
gewannen ihm die Herzen desselben. Endlich, als er sich in der
Liebe und dem Zutrauen des Volkes hinlänglich befestigt sah,
schritt er zur Durchführung seines verrätherischen Planes.
Er brachte sich selbst mehre Wunden bei und ließ sich, mit
Blut bedeckt, in seinem Wagen auf den Markt bringen. Hier
entstand alsbald ein großer Auflauf des Volkes. Jeder wollte
wissen, wer seinen Wohlthäter so entstellt habe. Da erhob sich
Pisistratus und fuhr gewaltig los gegen die Vornehmen, deren
Dolche ihn bloß deswegen so blutig getroffen hätten, weil er
ein Freund des Volkes und ein Beschützer und Verteidiger
der bürgerlichen Rechte gegen die Anmaßungen der Vornehmen
sei. Dann sprach er das Volk um Schutz und Sicherheit für
sein Leben an, das er so eben nur noch mit genauer Noth
habe retten können. Das getäuschte Volk gerieth in Wuth
über die feigen Mordanschläge seiner Gegner, der Aristokraten.
Aus innigem Mitleide mit seinem vermeintlichen Wohlthäter
gab es ihm eine Leibwache von fünfzig Mann. Diese durch
unrühmliche List erworbene Macht suchte er täglich zu vermeh¬
ren, bis er zuletzt ein kleines Heer hatte. Mit diesem besetzte
er die Burg von Athen und bemächtigte sich von dort aus
auch der Stadt. Zwar hatte er noch manchen harten Kampf
mit der Gegenpartei zu bestehen, er wurde sogar zweimal wie-
der vertrieben; jedoch wußte sich der Arglistige zuletzt in den
ruhigen, ungestörten Besitz der Alleinherrschaft zu setzen. Dies
Alles mußte Solon noch erleben. Vergebens hatte er seine
Mitbürger gewarnt; da verließ er vor Schmerz seine un-
dankbare Vaterstadt und ging nach Cypern, wo er bald nach-
her starb.
Pisistratus war nunmehr der Alleinherrscher und regierte
zum Segen des Volkes. Sein Hauptstreben ging dahin, Athen
zu dem mächtigsten und gebildetsten Staate von Griechenland
zu machen. Alle Einrichtungen des Solon ließ er bestehen