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Thaler soll der Bau des Ganzen gekostet haben. Durch jene
Vorhallen, Propyläen*) genannt, kam man auf die eigent-
liche Burg, einen großen, geräumigen Platz, der mit einer
Mauer umzogen war. Eine entzückende Aussicht! Hier die
Stadt und das Gewühl des Volkes, dort das Meer, mit Schiffen
und Kähnen wie übersäet. Auf dem höchsten Gipfel der Burg
stand die Statue der Athenä, der Schutzgöttin der Stadt,
in übermenschlicher Größe, aus Bronze, in voller Rüstung und
sah gleichsam drohend von ihrer Warte, wer sich ihrer lieben
Stadt und ihrem lieben Volke feindlich zu nahen wage. Schon
am Vorgebirge Sunium, fünf Meilen von Athen, sah man der
Göttin Lanze und Helmbusch blitzen. Unter der Menge von
Tempeln mit fortlaufenden Lustwaldungen, mit den schönsten
Gemälden und Statuen geschmückt, erregte das Parthenon
ober ber Tempel ber Athenä bie meiste Bewunderung. Es war,
als hätten bie Bürger burch ben unermeßlichen Aufwanb, mit
welchem sie bieses Gebäude aufführten und im Innern verzier¬
ten, sich ihier Retterin dankbar bezeigen wollen. Um den
marmornen Prachttempel lief eine geräumige Halle, die auf
schlanken marmornen Säulen ruhete. In dieser Halle sah man
auch noch den Thron, auf welchem Terxes während der Schlacht
bei Salamis saß. In dem Tempel selbst stand die Bildsäule der
Göttin in voller Rüstung, mit Helm, Schild und Speer. Sie
mar dreißig Fuß hoch, von blendendem Golde und Elfenbein.
Die künstlerische Hand des Phidras hatte dieses Meisterwerk
hervorgebracht. Anfangs sollte die Bildsäule aus Marmor ver-
fertigt werden, und das Volk hatte es sich schon auf den Rath
des Phidias gefallen lassen. Als dieser aber noch hinzusetzte,
Marmor würde auch wohlfeiler sein, da schrie das ganze Volk:
„Nein, nein, aus Gold und Elfenbein I"
Zur Hervorbringung solcher und ähnlicher Kunstwerke leb-
ten damals die ausgezeichnetsten Meister, von denen der eine
*) Nach bem Muster dieser Propyläen ist das Brandenburger
Thor in Berlin erbauet.
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