— 198 —
als ein beladener Wagen heranfuhr. „Wart' ein wenig!" rief
er dem Fuhrmanne zu. Der störte sich an nichts und fuhr
seinen Weg. Da warf er sich trotzig gerade vor die Pferde
nieder, und der erschrockene Fuhrmann mußte halten. Darauf
that er seinen Wurs und trat nun erst bei Seite. Er war
übrigens sehr lernbegierig; nur die Flöte wollte er nicht lernen.
„Sie entstellt ja das Gesicht/' war seine gewöhnliche Ausrede,
„auch kann man dazu nicht sprechen oder singen. Die Kinder
der Thebaner, welche nicht sprechen können, mögen die Flöte
blasen." Er trug purpurne Kleider und führte einen Schild
aus Gold und Elfenbein. Seine Pferde und Wagen waren die
schönsten in der Stadt. Selbst durch läppische Handlungen
suchte er Aufmerksamkeit zu erregen. Einst kaufte er sich einen
Hund von ausnehmender Schönheit für einen ungeheuren
Preis. Ganz Athen sprach von dem wunderschönen Hunde
des Alcibiades. Darauf schnitt er ihm den prächtigen Schweif
ab. Das gab nun wieder ein allgemeines Stadtgespräch, und
er hatte seine Freude hieran. Ein andermal sah er, als er
gerade über den Markt ging, einen großen Auflauf des Volkes:
es wurde Geld vertheilt. Sogleich ließ auch er sich Geld von
Hause bringen und warf es unter die Menge. Darüber wurde
der Zusammenlauf und Lärm noch größer. Jetzt öffnete er
seinen Mantel, ließ eine Wachtel hinausfliegen und setzte eine
große Belohnung auf den Wiederfang. Da stürzte auf einmal
das ganze Volk auseinander hinter der Wachtel her. Alcibia-
des lachte!
Das Schlimmste für ihn war, daß alle seine Jugendfehler
Nachficht und Entschuldigung bei seinen Mitbürgern fanden,
weil er durch Schönheit, Beredsamkeit, Tapferkeit, kurz durch
jede Eigenschaft Alle für sich einnahm. Zum Gluck war der
weise Sokrätes, von welchem wir nachher ausführlicher reden
werden, eifrigst bemüht, einen Jüngling zu bilden, der einst der
Segen ober Fluch der Vaterstadt werden könne. Alcibiades
schloß sich in inniger Liebe an ihn und vergoß oft in seiner