Full text: Die alte Geschichte (Theil 1)

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des spartanischen Königes Pausanlas, welcher eifersüchtig war 
auf den Ruhm des Lysander, brachte nun Thrasybulus einen 
Vergleich glücklich zu Stande. Die Negierung der Dreißig wurde 
abgeschafft, alle Verbannte zurückberufen, und eine allgemeine 
Amnestie, d. i. Vergessenheit des Geschehenen, bewilligt. Athen 
bekam nun, im Jahre 403, seine Freiheit und Verfassung wieder, 
aber die alte Größe und Herrlichkeit war auf immer dahin. 
63. Sokrates (469—399 vor Chr.). 
Durch diesen Krieg waren die Sitten ganz entartet. Ein 
höchst verderblicher Zeitgeist hatte sich Bahn gebrochen, beson- 
ders in Athen. Religion und Tugend, die festesten Grundpfeiler 
eines Staates, sanken hier immer mehr; Weltklugheit und Lebens- 
genuß galten als die höchsten Güter. Dieses Sittenverderbniß 
wurde besonders durch die Sophisten herbeigeführt, söge- 
nannte Weise, welche die traurige Fertigkeit besaßen, ihrer 
Scheinweisheit durch die blendende Kunst der Rede Eingang 
zu verschaffen. Sie machten sich anheischig, entgegenstehende 
Meinungen ohne Rücksicht auf Wahrheit oder Unwahrheit nach 
Willkür zu vertheidigen; sie spotteten öffentlich der Religion 
und Tugend. 
Gegen diesen so verderblichen Zeitgeist erhob sich mit aller 
Kraft ein Freund ächter Weisheit und Menschenwürde, der 
große Philosoph Sokrates. Er war im Jahre 469 zu Athen 
geboren. Sein Vater war hier Bildhauer, und er selbst trieb 
einige Zeit diese Kunst. Vielleicht mochte ihn aber der böse 
Zeitgeist zu ernsten Betrachtungen der hohen Würde und Be- 
stimmung des Menschen hingezogen haben. Denn bald nachher 
entsagte er allen anderen Beschäftigungen und widmete sich 
stiller Betrachtung. In dieser war er oft so vertieft, daß er 
den ganzen Tag und die ganze Nackt unbewegt auf derselben 
Stelle stand. Nur erst, wenn die Sonne aufging, erwachte er 
gleichsam aus seiner Verzückung; dann entblößte er sein Haupt 
und betete. Unter seinen ausgearteten Mitbürgern, die in allen 
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