Full text: [Sechster Teil = [Klasse 4], [Schülerband]] (Sechster Teil = [Klasse 4], [Schülerband])

Auch werden Schneebrüche durch den rechtzeitigen Laubfall vermieden. 
Doch sind wir jetzt nicht mehr mit dieser Auskunft zufrieden. Wir sagen 
uns, daß wir durch sie wohl den Zweck, aber nicht die Ursache der Er¬ 
scheinung erfahren haben. 
Sehen wir uns ein Blatt genauer an! Seine Verfärbung ist 
augenfällig genug. Wodurch ist aber das Blattgrün in ihm zerstört? 
Ganz ähnliche Verfärbungen kann man mitten in der Vegetationszeit an 
Pflanzen beobachten, die sehr intensiv von der Sonne bestrahlt werden. 
Dieselbe Kraft also, die die grünen Pflanzenteile zu ihrer Lebenstätig¬ 
keit anregt, bringt auch, wenn sie zu stark einwirkt, eine Umwandlung 
des Blattgrüns hervor und damit einen Stillstand eben jener Tätigkeit. 
Gäbe es aber keine andere Ursache für die herbstliche Laubverfärbung, 
so müßte sich diese von langer Hand, schon den ganzen Sommer hindurch, 
vorbereitet haben; statt dessen trat sie in den letzten Wochen erst und 
recht plötzlich ein. Tatsächlich ist denn auch die bunte Herbstfärbung 
des Laubes nur das äußere Kennzeichen und die Folgeerscheinung tief¬ 
greifender Stoffumwandlungen, die sich in dieser Zeit in den Blättern 
abspielen. Sie ermöglichen einen Rücktransport aller als Baustoffe noch 
verwertbaren Bestandteile des Blattes in das Holz des Stammes. Die 
Blattfläche ist ganz ausgedörrt, lederartig trocken, als wäre sie lange 
Zeit großer Dürre ausgesetzt gewesen. Nichts mehr von dem Sastreich- 
tum, der Frühlings- und Sommerlaub auszeichnete. 
Je schöner Spätsommer und Herbst sind, je mehr wir uns an einer 
Reihe sonnig-klarer, damit aber auch trockener Tage erfreuen, um so 
eher tritt der Laubfall ein. Es ist nicht die Kälte, sondern die Trocken¬ 
heit der Luft, die den Stillstand der Vegetation bewirkt. Zumal jene 
mehr oder minder heftigen Winde, die zur Zeit der Tag- und Nacht¬ 
gleichen oft Tage lang wehen, wirken mörderisch auf das Baumlaub. 
Der Wind trocknet, das weiß jede Hausfrau, die sich mit Recht über ihre 
lustig flatternden Wäschestücke freut. Der aus dem feuchten Linnen auf¬ 
steigende Dampf wird sofort vom wehenden Winde fortgeführt, so daß er 
es nicht als feuchter Luftmantel umhüllen und die weitere Dampfbildung 
herabsetzen kann. Nicht anders befördert der Wind auch die Transpiration 
der Blätter. Diese austrocknende Wirkung findet in so hohem Grade 
statt, daß Bäume, die Winden ausgesetzt sind, welche jahrüber gleichmäßig 
in einer Richtung wehen, aus der Windseite nur verkrüppelte, großen¬ 
teils abgetrocknete Aste aufweisen. Das kann man häufig genug auf der 
Seeseite von Strandwäldern beobachten. Besonders trocken und aus¬ 
trocknend sind — nebenbei bemerkt — die Winde, die über den Boden 
der Polarzone wehen, und ihrer Wirkung schreibt man es heutzutage in 
erster Linie zu, daß ansehnliche Holzgewächse sich in jenen Gegenden 
nicht mehr entwickeln. Man hat nämlich beobachtet, daß die sogenannte 
Baumgrenze durchaus unregelmäßig verläuft und sich zungenartig zum
	        
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