Full text: Geschichte des Mittelalters (Teil 2)

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selbst fest im Bügel war, warf durch den gewaltigen Stoß seiner Lanze 
den Gegner entweder aus dem Sattel, oder er zersplitterte seine Lanze 
an dem stählernen Brustharnische. Beides galt als Sieg. Denn blieb 
die Lanze des Gegners unversehrt, so war das ein Zeichen, daß er gar 
nicht oder doch nur schlecht getroffen hatte. Oft auch vertauschte der 
Ritter seine gebrochene Lanze mit einer andern; häufig brach einer viele 
Lanzen an einem Tage. Nach dem ersten Kämpferpaare wurde das 
zweite aufgerufen, dann das dritte, vierte, und so ging es weiter, meist 
drei Tage, oft aber auch Wochen lang. Manchmal traten die Ritter auch 
scharenweise gegen einander auf. Wenn die Ritter abgetreten waren, 
hielten wohl die Knappen ein sogenanntes Gesellenstechen. 
Den Beschluß der Ritterspiele machte die Verteilung des Dankes, 
d. h, des Preises. Dieser wurde nach dem Ausspruche der Kampfrichter 
demjenigen Ritter erteilt, welcher sich am meisten ausgezeichnet hatte. 
Unter dem Schalle der Pauken und Trompeten wurde der Name des 
Siegers mit lauter Stimme ausgerufen. Dann nahete sich dieser ehr- 
erbietig den Damen, welche den Dank verteilten, und empfing auf den 
Knieen aus schöner Hand irgend ein teures Kleinod, einen Helm, oder 
ein Schwert, oder eine goldene Kette, oder einen Ring und dergl. Pauken 
und Trompeten erklangen dabei aufs neue. Es ward nun der L-ieger 
feierlich unter gewaltigem Zulaufe der schaulustigen Menge in das 
Schloß geführt. Hier empfingen ihn huldvoll die Edelfrauen, nahmen 
ihm die schwere Rüstung ab und schmückten ihn mit den prachtvollsten 
Festkleidern. Am Abend war große Tafel und großer Festball. Der 
Sieger hatte beim Festmahle einen reich verzierten Ehrenplatz; er eröff- 
nete auch den Ball. 
Mit der Zeit wurden die Turniere immer glänzender. Eins der 
prachtvollsten im dreizehnten Jahrhundert gab der Markgraf von Mei- 
ßen, Heinrich der Erlauchte, zu Nordhausen. Dort hatte er in der 
Mitte eines großen Platzes, auf welchem das Turnier gehalten wurde^ 
und der einen Lustgarten vorstellte, einen ansehnlichen Baum von Silber 
mit goldenen und silbernen Blättern errichten lassen. Jeder Ritter, der 
seinen Gegner aus dem Sattel hob und zur Erde niederstreckte, erhielt 
zum Danke aus schöner Hand ein goldenes Blatt. Hatte aber an ihm 
der Gegner vergeblich seine Lanze zersplittert, und war er selbst fest im 
Sattel geblieben, so wurde ihm zum Danke ein silbernes Blatt gereicht-
	        
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