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gewählten, die ja keine Aussicht hatten, die Königsmacht auf ihre Nach-
kommen zu vererben, es sich vor allem angelegen sein, die eigene Haus-
macht zu mehren; die Sorge um das Reich ist darüber oft unterblieben.
— Die Herrscher, welche in diesem Zeiträume mit planmäßiger Ver-
meidung der Erblichkeit von den Kurfürsten auf den deutschen Thron ge-
setzt wurden, sind: König Rudolf von Habsburg 1273—1291; König
Adolf von Nassau 1292—1298; König Albrecht I. von Österreich
1298—1308; Kaiser Heinrich VII. von Luxemburg 1308—1313 ;
Kaiser Ludwig IV. von Bayern 1314—1347 und sein Gegner, König
Friedrich von Österreich 1314—1330.
1. König Rudolf von Habsburg (1273—1291).
Am User der Aar, in dem Schweizer-Kanton Aargau, erheben sich
auf einem freistehenden Hügel die Ruinen des Schlosses Habichtsburg
oder Habsburg. Diese Burg war das Stammhaus des Grafen Ru-
dolf von Habsburg, der im Jahre 1273 zum deutschen Könige er-
wählt wurde. Er besaß noch mehre andere Güter, in der Schweiz so-
wohl, als in Schwaben und im Elsaß, und stand deshalb als ein mäch-
tiger Herr in großem Ansehen. Auch war er als ein frommer und friede-
rer Held in der ganzen Gegend hoch geehrt. Er schützte in jenen unruhi-
gen Zeiten nach Friedrichs II. Tode, wo Deutschland eine geraume Zeit
hindurch so gut wie ohne Regenten war. den Bürger wie den Landmann
vor den herumziehenden Räubern. Vorzüglich gefiel dem Volke seine
Ehrfurcht vor der Religion und ihren Dienern. \ Einst begegnete ihm auf
der Jagd ein Priester, der mit der letzten Wegzehrung zum Kranken eilte.
Wegen des angeschwollenen Waldwassers war der Weg schlüpfrig und
unsicher geworden. Da sprang Rudolf von seinem Rosse, ließ den Priester
aufsteigen und führte demutsvoll selbst das Tier am Zügel bis vor
das Haus des Kranken. Hier wartete er, bis die heilige Handlung voll-
bracht war, und geleitete dann den Priester zurück. Das Pferd aber
widmete er von nun an dem Dienste der Kirche; denn er hielt sich für un¬
würdig, je wieder das Tier zu besteigen, das unseren Herrn und Hei¬
land getragen hatte. - Den Erzbischof Werner von Mainz, welcher nach
Rom reisete, begleitete er zur Bedeckung eine weite, gefährdete Strecke.
Als sie von einander schieden, reichte ihm der Erzbischof freundlich die
Hand und sprach: „Wollte Gott, Herr Graf, ich lebte noch so lange,
daß ich Euch den mir geleisteten Dienst vergelten könnte!" Dieser Wunsch