Full text: Geschichte des Mittelalters (Teil 2)

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kars Sohn, den jungen Wenceslans. Er ließ ihm Böhmen und Mähren 
und gab ihm später eine seiner Töchter zur Ehe. Unter Bewilligung der 
deutschen Fürsten belehnte nunmehr, im Jahre 1282, der König seine 
Söhne Albrecht und Rudolf mit Österreich, Steiermark, Krain und Kärn-1 
then und wurde dadurch der Gründer des mächtigen Habs burgisch- 
österreichischen Hauses. Drei Jahre später (1285) belehnte er auf 
Bitten seiner Söhne den Grafen Meinhard von Tirol, seinen treuen 
Bundesgenossen, mit Kärnthen. 
Die noch übrigen Jahre seines Lebens wendete Rudolf vorzüglich | 
dazu an, den Landfrieden herzustellen. Er erließ strenge Verordnungen j 
gegen den Mißbrauch des Faustrechts, zog auch selbst gegen die Raub- | 
titter aus und brach ihre Burgen. In Thüringen allein zerstörte er ihrer 
sechzig. Die gefangenen Räuber wurden ohne Rücksicht ihres Standes 
erhängt; denn Rudolf sagte, er halte keinen Menschen für adelig, wel- 
cher die Armen beraube und die Gerechtigkeit verletze. Er brachte es in 
wenigen Jahren dahin, daß der Kaufmann und Pilger keines Geleites 
mehr bedurften und durch finstere Wälder und an hohen Burgen ohne 
Gefahr vorüberziehen konnten. Auch hatte jeder, ohne Unterschied des 
Standes, freien Zutritt zu ihm. Einst, da die Wache einen gemeinen 
Mann, der ihn zu sprechen wünschte, nicht hereinlassen wollte, rief er ihr 
zu: „So lasset ihn doch herein! Bin ich denn zum König erwählt, daß 
man mich hier einsperre?" 
Obschon Rudolf den ersten Thron von Europa besaß, so machte ihn 
doch diese hohe Würde nicht stolz und anmaßend. So besuchte er als 
König einen reichen Gerber bei Basel, den er sonst gekannt hatte, und 
stand vor einem Bürger aus Zürich vom Throne auf, weil dieser ihm 
einst das Leben gerettet hatte. Man sah ihn wohl im Felde seine einfache 
Kleidung mit eigener Hand ausbessern und seinen Hunger mit unge- 
kochten Rüben stillen. Wegen seiner Einfachheit ward er oft verkannt 
und hatte manch' kurzweiliges Abenteuer. Einst, da das Hoflager bei 
Mainz stand, kam er in seinem gewöhnlichen Wams in die Stadt. Es 
war strenge Kälte, und er trat in das offene Haus eines Bäckers, um sich 
am Backofen zu wärmen. Die Frau des Bäckers aber, die ihn für einen 
gemeinen Kriegsknecht hielt, wollte das nicht leiden und schimpfte aus 
Leibeskräften auf den König, der mit seinen Leuten dem Bürger so zur 
Last falle. Rudolf lächelte. Darüber wurde das Weib noch zorniger 
und goß nach ihm mit einem Kübel Wasser. Der König blieb gelassen 
Welters Weltgesch. II. 30. Aufl. 14
	        
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