Full text: Geschichte des Mittelalters (Teil 2)

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gehörten, jene wollten das Stabt-Regiment behalten, diese es für sich 
gewinnen. Im Reiche aber standen die Fürsten, die Ritterschaft und die 
Städte fast aller Orten feindlich gegenüber. Jeder wollte mehr Macht 
besitzen, jeder trdchtete daher die Stellung des anderen zu untergraben; 
so haderten bald Fürsten mit den nachbarlichen Städten, bald die Ritter 
mit den Großen, welche sie unter ihre Botmäßigkeit zu bringen suchten. 
Vornehmlich in Schwaben, wo Eberhard „der Greiner" oder der „Rau¬ 
schebart" sich eine unabhängige Fürstenmacht zu gründen wünschte, tob- 
ten endlose Fehden dieser Art. 
Karl IV. schien sich um diese zerrütteten Zustände des deutschen 
Landes, wie auch um die Wahrung seiner Hoheitsrechte daselbst wenig 
zu kümmern. Er sorgte fast nur für die Vergrößerung seines Hauses, 
und hierin war er sehr glücklich. Er erwarb Brandenburg, die Lausitz, 
ganz Schlesien und einen Teil der Oberpfalz. Besonders begünstigte 
er sein Erbland Böhmen, so daß man später mit Recht von ihm sagte, 
er sei ein Kater Böhmens, aber ein Stiefvater Deutschlands gewesen. 
Karl nahm zu Prag seine Residenz und schmückte sie mit den herrlichsten 
Gebäuden und Anlagen. Prag sollte der leuchtende Mittelpunkt nicht 
nur von Böhmen, sondern vom ganzen deutschen Reiche werden. Hier 
errichtete er auch zur Bildung seiner Böhmen im Jahre 4348 nach dem 
Muster der Universitäten von Paris und Bologna die erste deutsche 
Universität, welche schon bald nach ihrer Stiftung siebentausend 
Studierende zählte. 
Für das wissenschaftliche Streben des deutschen Volkes ist diese 
Schöpfung von großer Wichtigkeit gewesen, nicht allein weil seitdem stets 
Tausende unserer Nation in Prag den Studien oblagen, sondern noch 
mehr, weil die Gründung dieser ersten deutschen Universität sehr bald 
den Anstoß dazu gab, eine ganze Reihe anderer auf heimischem Boden 
zu errichten. So entstanden deutsche Universitäten: zu Wien (1365), 
Heidelberg (1386), Köln (1388), Erfurt (1392) und zu Würzburg 
(1402). 
Die goldene 33uIie (1356). — Das Wichtigste, was Deutsch- 
land Karl IV. zu verdanken hat, ist jenes berühmte Reichsgrundgesetz, 
die goldene Bulle. Durch diese wurde im Jahre 1356 das aus¬ 
schließliche Wahlrecht des deutschen Königes sieben Kurfürsten *), drei 
*) Von dem altdeutschen Worte „füren", d. i. wählen. 
Welters Weltgesch. II. 30. Aull. 15
	        
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