Full text: Geschichte des Mittelalters (Teil 2)

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ein selbständiges Königreich. Alfonso wandte seine Waffen jetzt nach 
Süden und eroberte mit Hülfe kreuzfahrender Engländer und Hansea- 
ten, die eben in den Tejo einliefen, selbst Lissabon, die nachmalige 
Hauptstadt. Unter den nachfolgenden Königen wurden die Mauren immer 
tiefer zurückgedrängt und endlich ganz aus dem Reiche vertrieben. 
Der König Johann, welcher von 1383 bis 1433 regierte, faßte nun 
den Plan, die Feinde der Christenheit auch jenseits des Meeres, in Afrika, 
heimzusuchen und auch hier die christliche Fahne wieder aufzupflanzen. 
Er rüstete deshalb eine Flotte, setzte hiermit über und eroberte 1415 an 
der afrikanischen Küste die Gibraltar gegenüber gelegene Stadt Ceüta. 
Sie war ihm der Schlüssel zu Afrika. Nach dieser Eroberung gab der 
dritte Sohn des Königes, Infant*) Heinrich, gewöhnlich Heinrich der 
Seefahrer genannt, die erste Anregung zu den berühmten Länderent¬ 
deckungen undHandelsunternehmungen, durch welche Portugal in kurzer 
Zeit zum ersten Handelsstaate Europas sich emporschwang. 
5. Das oströmische Kaiserreich nnd das Obsiegen der 
Osmanen (1453). 
Wir wenden uns jetzt zu der Geschichte des ältesten der europäischen 
Staaten des Mittelalters, des oströmischen oder griechischen Kaiser- 
tums. Dieses glich um jene Zeit einem alten morschgewordenen Ge- 
bäude, das nur bei stillem, heiterem Himmel noch zusammenhält, bei einem 
Windstoße aber aus seinen Fugen weicht und in Trümmer auseinander- 
fällt. Unter meist schwachen und ausschweifenden Kaisern war es seit der 
Zeit der Kreuzzüge immer tiefer gesunken. Vom Throne aus hatte sich 
das Verderben über alle Klassen des Volkes verbreitet. Die, welche sich 
als Nachkommen der Sieger bei Marathon, Salamis und Platää rühm- 
ten, waren feige Weichlinge; sie wurden von den benachbarten kriegeri- 
schen Völkern verachtet und Weiber genannt. Selten saß ein guter Kai¬ 
ser auf dem Throne, der mit kräftiger Hand die Zügel der Regierung 
führte und den nahen Untergang verzögerte. Sein guter Wille ward 
ihm selbst zum Verderben. Die meisten Kaiser endeten auf eine gewalt- 
same Art. Durch die unnatürlichsten Verbrechen schwangen sich andere 
Mächtige auf den Thron, durch die unnatürlichsten Verbrechen suchten 
*) Infant (von dem lateinischen Worte infans, d. i. Kind) ist der Titel, 
den in Spanien und Portugal die Prinzen des königlichen Hauses führen.
	        
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