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und überhaupt nicht mehr lange leben. Aber wie staunte das Volk, als man jetzt
Sixtus (so wurde er als Papst genannt) ohne Krücke und mit majestätischen
Schritten einhergehen sah! Einem Kardinal, welcher darüber seine Verwunderung
ausdrückte, sagte Sixtus: „Monsignor, als wir noch Kardinal waren, gingen wir
mit gebeugtem Nacken, weil wir die Schlüssel des Himmels aus der Erde suchten;
jetzt, da wir sie gefunden haben, sehen wir gen Hhnmel auf, weil wir auf der
Erde nichts weiter nöthig haben."
§. 106. Sixtus' Kirchenregiment und Strenge. Sixtus war
zum Herrscher geboren. Das sah man gleich am Anfang seiner Regierung. „Nicht
Gnade, Gerechtigkeit ist noth," sagte er, „und damit jedermann sehe, dass uns
Gott deswegen'aus St. Peters Stuhl erhoben habe, dass wir die Guten belohnen
und die Lasterhaften bestrafen sollen, so wollen wir schlechterdings, dass gleich an
unserm Krönungstage vier der strafbarsten Verbrecher hingerichtet werden." Das
Geld, welches am Krönungstage unter das Volk ausgeworfen werden sollte , be¬
stimmte er für Arme und Kranke. Da in Rom außerordentliche Sittenlosigkeit
herrschte, und da im ganzen Kirchenstaate Banditen und Räuber mordend umher¬
zogen, so war Strenge in • der That nothwendig. Sixtus beobachtete den Grund¬
satz: nicht viel Gesetze geben, aber die gegebenen auf das strengste vollziehen.
Er litt daher selbst von seinen Freunden keine Fürsprache für große Verbrecher.
„Willst du sein Fürsprecher sein," sagte er einst zu einem vornehmen Manne, der
für seinen Neffen sprach, „so sei es bei Gott für seine Seele." Allen Baronen,
welche häufig selbst Banditen waren, befahl er an, die Räuber zu verjagen. Wer
die Banditen beschützte, der wurde aus dem Kirchenstaate verbannt. Sixtus be¬
soldete Kundschafter, welche ihm alles anzeigen mussten. Er war so strenge, dass
selbst Verbrechen, die viele Jahre vor seiner Thronbesteigung begangen waren, von
ihm untersucht und bestraft wurden. Ein Spaßvogel machte diese Strenge auf
eine witzige Art lächerlich. In Rom stehen sich nämlich die Bildsäulen der Apostel
Petrus und Paulus gegenüber. Eines Tages fand man den Petrus reisefertig
angekleidet, mit einem beschriebenen Zettel im Munde. In des Paulus Munde
war ebenfalls ein Zettel, auf welchem die Frage stand: „Warum willst du Rom
verlassen?" Die Antwort auf des Petrus Zettel lautete: „Ich will dem Sixtus
entfliehen, ehe er mir für das Ohr, das ich dem Knechte in Gethsemane abgehauen
habe, den Prozess macht." Die Strenge des Papstes erstreckte sich aber nicht
bloß auf die Verbrecher; er erpresste auch von dem Volke so drückende Abgaben,
dass er Unwillen, sogar Furcht erregte. Mütter brachten ihre unartigen Kinder
mit dem Zurufe: „Sixtus kommt 1" zum Schweigen. Übrigens war Sixtus sehr
sparsam, denn er legte in den drei ersten Jahren seiner Regierung fünf Millionen
Thaler in den Staatsschatz nieder. Auch bewies er sich dankbar gegen alle die¬
jenigen, welche sich seiner einst im niedern Stande angenommen hatten. In Zeiten
der Theuerung theilte er Getreide an das arme Volk aus.
§. 107. Sixtus als Beschützer der Künste und Gewerbe.
Sixtus besaß viel Liebe zur Baukunst. Daher sorgte er besonders für die Ver¬
schönerung Roms. Er legte schöne Gebäude und eine sehr große Wasserleitung
an; er ließ drei im Schutte vergrabene Obelisken aufrichten und auf einen großen
Platz stellen, wo sie noch zu sehen sind. Auch vollendete er den Bau der Peters¬
kirche, welche früher der berühmte Baumeister Bramante zu bauen angefangen
hatte. Das Innere der Kirche wurde mit herrlichen Gemälden ausgeschmückt.
Deren gab es damals in Italien sehr viele; denn die berühmtesten Maler, Ra¬
phael Santi, Michael Angelo und andre, die um jene Zeit lebten, hatten in ver¬
schiedenen Städten Italiens unsterbliche Malerwerke geschaffen. Besonders waren
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