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Schönen zugewandten Sinn; es gab kaum etwas, das er nicht kannte, er
konnte sich sogar in sieben Sprachen unterhalten. Seinem Äußern nach
war er ein Bild edler Ritterlichkeit, und man nannte ihn auch wohl nicht
mit Unrecht den „letzten Ritter". Er kämpfte ja noch in Turnieren tu eiserner
Rüstung und schreckte vor den kühnsten Abenteuern uicht zurück. Seilt be-
souderes Vergnügen war es, als Jäger in den Bergen umherzuschweifen,
wo oft nur. ein Strauch oder Steht ihn vor schwerem Falle bewahrte. Bei
Zirl, drei Stunden von Innsbruck, verstieg er sich einmal auf der „Martins-
wand" derart, daß er weder vor- noch rückwärts konnte und Menschenhilfe
unmöglich schien. Schon war er vom Hunger zu Tode erschöpft, schon erhob
der Priester die Monstranz vom Thale empor, um ihm die letzte Tröstung
zu geben, da wurde er noch von einem Bergmanne gerettet. Als er unten
ankam, wurde er vou der Menge im Jubel begrüßt, und von allen Türmen
ertönte Freudengeläute. Noch heute zeigt ein gewaltiges Kruzifix in schwin-
delnder Höhe den Ort dieses von der Dichtung mehrmals besungenen Er¬
eignisses, und im Volksmunde bildete sich die Sage, ein Engel habe ihn
herabgetragen. Ein so geschickter und kühner Jäger suchte wohl den Bären
in seiner Höhle auf, bestand mit dem Spieße die Wildschweine oder jagte
mit kühnem Wagsprunge dem Hirsche oder der Gemse nach. Aber bei allen
vorzüglichen Eigenschaften, die durch eine gewinnende Liebenswürdigkeit des
Umgangs erhöht wurden, war er dennoch weder als Feldherr noch als
Staatsmann groß genug, um das Ansehen und die Macht des Deutschen
Reiches wiederherstellen und mehren zu können. Auch dachte er, gleich seinem
Vater, vor allem auf den Vorteil seiner Erbländer; durch seine Vermählung
mit Maria von Burgund brachte er Burguud an das Haus Habsburg.
3. Kar! der Kühne von Burgund. Am Ende des Mittelalters hatte
sich an der Saöne ein Mittelreich zwischen Deutschland und Frankreich
gebildet, das „Herzogtum Burgund", das sich im Lause der Zeit durch
Heirat, Erbschaft und Verträge auch über das heutige Belgieu und die
heutigen Niederlande ausbreitete. Dieses Reich erlangte durch den Auf¬
schwung des Handels eine große Blüte; die Städte Brüssel, Gent, Brügge,
Antwerpen, Löwen waren weltberühmt, und au dem burgundischeu Hofe
herrschten neben Pracht und Glanz auch Kuustsinn nnd Bilduug. Darum hätte
der Herzog auch gerue den Königstitel gehabt; er hielt deshalb in Trier
eine Zusammenkunst mit Kaiser Friedrich III., erschien aber da so prunkvoll,
als hätte er den Kaiser durch seilten Reichtum beschämen wollen. Deshalb
verließ dieser abends die Stadt, ohne mit dem Herzoge weiter zu verkehren.
Von uuu au suchte Karl der Kühne aus eigene Faust seine Macht zu ver-
mehren und zunächst das Elsaß und den Breisgau, welche damals den
Habsbnrgern gehörten, an sich zu reißen. Er Hatte nämlich diese Gebiete
von dem Herzoge Siegmund von Österreich für die Darleihung einer großen