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zu, nämlich daß der Kelch beim Abendmahl allen, nicht bloß dem Priester,
gereicht, und daß ihnen in der Muttersprache, nicht lateinisch gepredigt werde.
Dafür erkannten sie Sigismund wieder als ihren König an; aber Böhmen,
das sich vorher in einem blühenden Zustande befunden hatte, war jetzt schrecklich
verwüstet.
§ 28. Einige Erfindungen am Ausgange des Mittelalters.
1. Der Kompaß. Eine wesentliche Erleichterung und eine erhöhte Sicherheit
des Seeverkehrs wurde durch den Kompaß herbeigeführt. Es ist dies ein
nadelähnlicher Streifen magnetischen Eisens oder Stahls, der auf einem Stifte
frei schwebt und stets nach Norden weist, über einer Windrose, d. i. einer linea-
ren Darstellung der 32 oder 64 Windrichtungen. Man
schreibt diese Erfindung dem Italiener Flavio Gioja
(sprich Dschoja) zu, dessen Vaterstadt Amalfi deshalb eine
Kompaßrose im Wappen führt. Er hat aber wahrscheinlich
nur das Verdienst, die Magnetnadel in eine Büchse (bussola)
eingeschlossen zu haben, während man bis dahin dieselbe
in einen Strohhalm oder in Kork gesteckt und so auf dem
Wasser hatte schwimmen lassen. Die Chinesen haben jeden-
55. Schiffer- ober Windrose. " } . ' m r f .
falls schon lehr frühe die Weisung der Magnetnadel bei
Landreisen (um 120 n. Chr.) und bei Seefahrten (um 400 n. Chr.) benutzt,
während die frühste Kunde davon in Deutschland etwa aus dem Jahre 1200
stammt. Jedenfalls wurde durch diese Erfindung die Schiffahrt erleichtert uud
damit der Verkehr gefördert; auch die ersten Seemannskarten (Kompaßkarten)
der Italiener, Portugiesen und Kastilianer verdanken wir derselben.
2. Das Schießpulver ist eine aus etwa 75 Teilen Salpeter, 15 Teileil
Holzkohle und 10 Teilen Schwefel bestehende Mischung, welche die Eigenschaft
hat, durch Entzündung zu explodieren (verpuffen), d. h. bei dem Übergange
vom festen in einen gasförmigen Zustand sich gewaltsam Raum zu verschaffen
und Hindernisse zu sprengen oder fortzuschleudern. Durch die Verwendung des
Pulvers zum Schießen mit Feuerwaffen hat diese Erfindung den gewaltigsten
Einfluß auf die Menschheit ausgeübt und eine förmliche Umwälzung im Kriegs-
Wesen hervorgerufen. Gewöhnlich schreibt man diese Erfindung dem Franzis-
kanermönche Berthold Schwarz zu Freiburg im Breisgau zu, wo ihm
1853 auch ein Denkmal gesetzt wurde. Ein Zufall hat ihn, wie es heißt, darauf
geführt, indem eine von ihm hergestellte Mischung von Salpeter, Kohle und
Schwefel durch einen darauf fallenden Funken mit einem furchtbaren Knalle
explodierte. Die Chinesen kannten jedenfalls schon viel früher gewisse Zünd-
ftoffe, welche durch sie auch bei den Byzantinern und den Arabern („grie-
chisches Feuer" s. § 18, 4) gebräuchlich wurden. Zum Schießen nach einem be-