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Hera zu seinem Verderben gesandt hatte. Als Jüngling kam er einst an einen
Scheideweg, wo ihm zwei Frauen, das Laster und die Tugend, entgegen-
traten. Er entschied sich für die Tugend, obwohl diese ihm ein Leben voll
Mühen und Entbehrungen in Aussicht stellte.
Im Dienste des Königs Eurystheus von Mycene verrichtete er die be-
rühmten zwölf Arbeiten. Er erwürgte den Löwen von Nemea (Tal in
Argolis) und bekleidete sich mit seiner Haut, wobei ihm der Rachen als Helm
diente; sodann tötete er die vielköpfige Hydra (= Wasserschlange) im Sumpfe
Lerna bei Argos. Den Eber, der am Berge Erymanthus hauste und
die Landschaft Arkadien verwüstete, fing er lebendig, ebenso die in derselben
Gegend weilende erzhufige Hirschkuh der Artemis. Dort erlegte er auch die
den See von Stymphälus bewohnenden Vögel mit ihren ehernen Krallen,
Flügeln und Schnäbeln. Darauf erkämpfte er den Gürtel der Amazonenkönigin
Hippolyts (vgl. oben) und reinigte den Viehstall des Königs Au gras von
Elis. Die folgenden Arbeiten führten ihn weit außer Landes. Aus Kreta brachte
er den wütenden Stier des Königs Minos, aus Thrazien die Menschen¬
freunden Roffe des Königs Diomedes, von einer entlegenen Insel im
Ozean die Rinder des Riefen Geryönes an den Hof des Eurystheus.
Aus dem fernen Westen holte er auch die goldenen Äpfel der Hefperiden,
welche von einem Drachen bewacht wurden. Am schwierigsten war die letzte
Aufgabe, den Cerberus aus der Unterwelt ans Tageslicht zu schaffen.
Nachdem er alle Arbeiten glücklich überstanden, wurde Herkules seines Dienstes
ledig. Aber auch sein späteres Leben war voll von Kämpfen und Leiden aller
Art. Als er endlich zur Ruhe zu kommen schien, fiel er der Rachsucht eines
Centauren zum Opfer. Diefer war bei dem Versuche, die Galtin des Helden
zu entführen, von Herkules mit einem vergifteten Pfeile schwer verwundet worden.
Vor seinem Tode hatte er ihr geraten, von seinem vergifteten Blute zu nehmen und
damit das Gewand ihres Mannes zu tränken. Sobald dieser es anlegte, wurde
er von furchtbaren Schmerzen gefoltert. Da er nun sein Ende nahen sah, bestieg er
auf dem Öta einen Scheiterhaufen und bat feinen Freund Philoktet, dem er seinen
nicht sehlenden Bogen vererbte, Feuer anzulegen. Jetzt gedachte Zeus seines Helden-
sohnes und nahm ihn unter Blitz und Donner in den Himmel auf. Herkules versöhnte
sich mit Hera und erhielt die Göttin der ewigen Jugend, Hebe, zur Gemahlin.
b) Jason und die Argonauten. Die Kinder des böotischen Königs Athämas \
Phrixus und Helle, welche unter dem Hasse ihrer Stiefmutter viel zu leiden
hatten, wurden von den Göttern mit einem Widder beschenkt, dessen Wolle aus
reinem Golde bestand. Aus seinem Rücken erhoben sie sich in die Lüste und fuhren
glücklich über das Meer dahin, bis Helle in den nach ihr benannten Hellespont
hinabstürzte. Phrixus setzte die Fahrt fort und ließ sich im Lande Kolchis (am
Ostrande des Schwarzen Meeres) nieder, wo er den Widder opferte und das
goldene Fell im Haine des Ares aufhängte.
^ Athmas herrschte in der uralten, reichen Handelsstadt Orchomenos im
Lande der seekundigen Minyer. In der Nähe fand Schliemann bei seinen Aus-
grabungen ein von den Alten als „Schatzhaus des Königs Minyas" be»
zeichnetes Kuppelgrab, das mit den bei Mycene und anderwärts aufgedeckten Grab-
kammern große Ähnlichkeit hat (vgl. S. 6).