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er sich jetzt. Bald dieser, bald jener Partei nachgebend, je
nachdem ihn die Umstünde drängten, vermochte er es keiner
recht zu machen, nnd die Reibereien zwischen Katholiken und
Protestanten hörten nicht auf. Da er kinderlos war, bestimmte
er seinen Neffen Ferdinand von Steiermark zu seinem
Nachfolger und bewog zugleich die Böhmen und Ungarn, ihn
als künftigen König anzuerkennen. Ferdinand, der sich als
Schüler der Jesuiten bereits durch religiöse Unduldsamkeit her¬
vorgethan hatte, übte fortan den größten Einfluß auf die Ent¬
schließungen des Oheims aus, ein Einfluß, der in hohem Grade
verderblich für unser Vaterland werden sollte.
§ 84. Der böhmische und pfälzische Krieg. Im Vertrauen
aus den Majestätsbrief hatten die Protestanten der böhmischen
Orte Braunau und Klostergrab Kirchen gebaut. Die Herren
dieser Orte, der Abt von Braunau und der Erzbischof von
Prag, sprachen ihren Unterthanen das Recht dazu ab, und die
Kirche zu Klostergrab wurde auf kaiserlichen Befehl niederge¬
rissen, die zu Braunau geschlossen. Die Böhmen, für ihre
Freiheit besorgt, gerieten in Aufregung, und auf Veranlassung
des Grasen Matthias von Thurn kamen die protestantischen
Stände in Prag zusammen und wandten sich in einer Be¬
schwerde an den Kaiser. Dieser würdigte sie indes keiner an¬
deren Antwort, als daß er ihnen durch die Statthalterschaft ihr
unangemessenes Betragen verweisen ließ und die Auflösung der
Versammlung befahl. Die Folge davon war nur eine erhöhte
Erbitterung, und da man den Verdacht hegte, die katholischen
Mitglieder jener Behörde seien die Urheber des harten Bescheides,
zogen die Abgeordneten, von einer großen Volksmenge begleitet,
am 23. Mai 1618 unter Thurns Anführung auf das Schloß
und warfen nach kurzem Wortwechsel die beiden verhaßtesten
Räte Martinitz und Slavata samt dem Geheimschreiber
Fabricius zum Fenster hinab. Damit war der Anstoß zum
dreißigjährigen Kriege gegeben, dem schrecklichsten, von dem
Deutschland je heimgesucht worden ist.
Thurn und seine Freunde erkannten recht wohl, daß nach
ihrer raschen That kein Zurückweichen sie vor dem Zorne des
Kaisers schützen würde. Sie gingen daher noch einen Schritt
weiter, rissen die Regierung an sich, stellten ein Heer auf und
erbaten die Unterstützung der Union. Durch die Vermittlung
der letzteren wurde der Graf Ernst von Mansfeld in den
Stand gesetzt, einige tausend Söldner anzuwerben, an deren
Spitze er sodann nach Böhmen zog und bie dort befindlichen
kaiserlichen Streitkräfte vertreiben half. Um diese Zeit starb
Matthias, und Ferdinand trat in den Besitz des Erbes, ohne
indes überall die Huldigung erlangen zu können. Die Protestanten
28.
Mai
1618
1018
bis
1648