Full text: Lehrbuch der Geschichte vom katholischen Standpunkte aus

2 I. Zeitraum. Urgeschichte des Menschengeschlechtes. 
und so wurden aus Jägern Hirten. Fehlte an einem Orte für die Men¬ 
schen und ihre Heerden die Nahrung, so waren die Zelte aus Zweigen 
oder Fellen, die erste Art künstlicher Wohnungen, leicht abgebrochen, 
und man zog nach einer andern Gegend, um Weide zu suchen So wurden 
die Hirten Nomaden. 
Aber weder bei der wilden Lebensart des Jägers, noch bei dem 
unstäten Umherziehen des Hirten hatte der Mensch Ruhe genug, seine 
mannigfaltigen, großen und schönen Geistesanlagen zu entwickeln. Erst 
als sich die Menschen bequemten, feste Wohnsitze zu wählen, singen sie an, 
ein menschenwürdiges Leben zu führen. Eintretender Mangel an Lebens¬ 
mitteln führte sie auf die Erfindung des Ackerbaues und dieser wieder au 
die Erfindung eines festeren Häuserbaues und zu einem geordneten häus¬ 
lichen Leben, woraus später wieder der Betrieb der Gewerbe, Künste und 
des Handels hervorging. In allen diesen Geschäften herrschte anfangs 
natürlich große Unvollkommenheit und erst nach und nach traten Ver¬ 
besserungen und höhere Vollkommenheit ein. 
So wie nun aber die Menschheit in weltlichen Dingen sich immer 
höher erhob, eben so sank sie in himnilischen Dingen immer tiefer. Die 
Gottlosigkeit, die mit dem Sündenfalle des ersten Menschenpaares be¬ 
gonnen hatte, war beim Menschengeschlechte so gewaltig und allgemein 
eingerissen, daß 1000 Jahre nach Adams Erschaffung nur der einzige 
Noah mit seiner Familie noch der Frömmigkeit und Tugend treu war. 
Noah fand deshalb Gnade vor dem Herrn und wurde mit seiner Familie 
wunderbar gerettet, als Gott alle Menschen durch eine Wasserfluth um¬ 
kommen ließ. Noah wurde ein zweiter Stammvater der Menschen, die 
sich bald wieder vermehrten. 
In den ältesten Zeiten lebten die Menschen in einzelnen Familien 
und führten ein patriarchalisches Leben, d. h. jede Familie hatte ihren 
Aeltesten (xmker, Vater) zuni Anführer und Schiedsrichter. Als sich aber 
die Familien ungeheuer vergrößerteu, so entstand Unfriede in ihnen (Abra¬ 
ham und Lot) und sie zertheilten sich in Parteien. Eine Partei trieb dann 
die andere aus dem heimathlichen Wohnsitze, oder zog selbst aus demselben 
fort und suchte sich einen neuen Wohnplatz. So wie die Menschen sich 
auf diese Weise immer weiter von einander entfernten, so wichen sie auch 
in ihren Sitten, ihrer Sprache und Gottesverehrung immer mehr von ein¬ 
ander ab. Die nun neben einander wohnten, einerlei Sprache, Religion 
und Sitten hatten, bildeten ein Volk. Zuweilen sanunelten sich mehrere 
einzelne Familien eines Volkes bei einander und bauten Dörfer, aus denen 
hier und da Städte entstanden. 
Wie in den ältesten Zeiten der Hausvater in der Familie geherrscht, 
Ordnung und Sitte erhalten, auch wohl Strafen ausgetheilt hatte, so 
fühlten meistens ganze Völker, jetzt gleichsam in eine größere Familie ver¬ 
einigt, bald das Bedürfniß eines ähnlichen Familienvaters; denn ohne 
einen schützenden Richter sahen sich besonders die Schwachen und Armen 
der Willkür der Starken und Reichen preisgegeben; und wurden sie von 
wilden Thieren oder fremden Menschenschaaren angegriffen, so fehlte es 
an Anführer und Ordnung. Wer sich daher durch Tapferkeit, Klugheit
	        
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