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Alte Geschichte. 4. Periode. Römer. 
das Alles umr die schändlichste Verstellung und die schöne Rede 
hatte ihm sein bisheriger Erzieher, der berühmte Seneca gemacht, 
der an seinem Zögling freilich nichts Gutes erzogen hatte; aber wie 
mar das auch an einem so entarteten Hofe und bei einer solchen 
Mutter möglich? Daher kamen selbst schon in den ersten fünf 
Jahren einzelne Schändlichkeiten vor, z. B. im zweiten Jahre die 
Vergiftung des Britannicus. 
Wäre Nero nicht wirklich schon ein Bösewicht gewesen, als er 
Kaiser wurde, so wäre es doch kein Wunder, wenn er einer ge¬ 
worden wäre. Erst 17 Jahre alt, bisher unter der Aufsicht einer 
zwar schwachen, aber launenhaften Mutter, sah er sich mit einem 
Male als Beherrscher eines unübersehlichen Reiches. Eine Schaar 
Schmeichler kroch um ihn herum, vergötterte ihn und war bereit. 
Alles, was dem jungen Kaiser gut dünkte, gut zu heißen und alle 
seine, auch die schändlichsten Befehle, auszuführen. Wahrlich eine 
große Versuchung für einen jungen Fürsten, der noch nicht einmal 
Kraft hatte, sich selbst zu leiten, geschweige ein so ungeheures Reich. 
Um dieses machte er sich nun weiter keinen Kummer; arbeitsscheu, 
überließ er sich bloß seinen Vergnügungen und ließ seine Minister 
schalten und walten. Anfangs wollte seine Mutter ihn noch leiten 
und schrieb ihm bald dies, bald jenes vor. Aber sie mußte zu 
ihrer nicht geringen, aber verdienten Kränkung nun erfahren, daß 
sie für einen Undankbaren so viele Verbrechen begangen hatte. Die 
Spannung zwischen Mutter und Sohn wurde immer größer; sie 
drohte ihm endlich gar mit dem Britanniens, seinem Stief¬ 
bruder. „Weißt du nicht," rief sie ihm wüthend zu, „daß Britan¬ 
nicus noch lebt und heranwächst, und daß er eigentlich - der Erbe 
seines Vaters sein sollte? Ich rufe den Geist des Claudius und die 
Geister aller Andern, die ich um deinetwillen gemordet habe, zur 
Rache gegen dich auf, du nichtswürdiger Sohn!" — Nero schwieg, 
stellte sich freundlich und dachte nun darüber nach, wie er sich den 
Britannicus und gelegentlich auch die lästige Mutter vom Halse 
schaffen könnte. Damals lebte in Rom ein scheußliches altes Weib, 
Locusta, das ein Gewerbe daraus machte, Gifte von aller Gattung 
zu bereiten, und es an solche Leute zu verkaufen, die schnell oder 
langsam einen überlästigen Menschen aus der Welt schaffen wollten. 
An dieses Ungeheuer wendete er sich: aber der erste Versuch mi߬ 
lang. Britannicus bekam zwar das Gist^ seine gute Natur aber 
überwand es glücklich. Nero wüthete, er wollte das Weib er¬ 
würgen, wenn sie ihm nicht ein recht starkes Gift bereitete. Das
	        
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