Nero.
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geschah denn auch; und als Britannicus einst mit seinem Stief¬
bruder bei Tische saß, ließ dieser ihm das Tränkchen in den Becher
gießen und augenblicklich sank der arme Knabe todt zu Boden.
Als Alle bestürzt aufsprangen, blieb Nero still auf seinem Polster
liegen. „Was wird es weiter sein, als Krämpfe; die hat er ja
von Jugend auf gehabt!" Und ohne die geringste Gemüthsbe¬
wegung zu verrathen, ließ er ihn hinaustragen. „Du bist ein
herrliches Weib!" sagte er zu der Giftmischerin Locnsta. Er schenkte
ihr zum Lohn mehrere Landgüter und gab ihr Schülerinnen, damit
ihre Kunst ja nicht aussterbe.
Um sich nun zu zerstreuen, fiel Nero von einer Tollheit auf
die andere. Oft schwärmte er mit einer Rotte ähnlicher Unholde
des Nachts auf den Straßen umher, fiel die Leute, die ruhig nach
Hause gingen, an, prügelte oder verwundete sie und warf sie zu
Boden. Manchmal brach er auch wohl in die Häuser ein, beraubte
die Menschen und veranstaltete dann in seinem Schlosse eine Anction,
in der er das Geraubte wieder verkaufte. Ein würdiger Vater
des 'Vaterlandes! Dabei konnte es nicht fehlen, daß er nicht
auch manchmal Schläge bekam; aber daraus machte er sich nichts;
das war ihm selbst ein Spaß; nur mußte Jeder thun, als kenne
er ihn nicht. Einmal hatte auch ein Senator seine Neckereien mit
Schlägen zurückgetrieben, fürchtete sich aber vor seiner Rache, und
bat ihn schriftlich um Verzeihung. „Wie!" brüllte Nero, „ein
Mann, der den Kaiser geschlagen hat, lebt noch?" Und sogleich
erhielt jener den Beseht, sich selbst zu entleiben. Seitdem mußten
bei seinen Streifereien immer Soldaten in der Ferne ihm foltzen,
um ihm nötigenfalls zu Hülfe zu kommen.
Seit seinen Kinderjahren war Nero mit seiner Stiefschwester
Octavia verheirathet, aber er konnte sie nicht leiden und sie
durfte sich vor ihm nicht sehen lassen. Dagegen gefiel ihm eine sehr
schöne Frau, Poppäa Sabina, der von allen Reizen keiner
abging, als — Tugend. Diese Poppäa, ausgestattet mit dem
schönsten Körper, vielem Verstände und großer Liebenswürdigkeit,
hätte ihren Mann und ihren Sohn recht glücklich machen können;
dagegen ist sie ein Fluch für Viele geworden und hat unsägliches
Elend angerichtet. Um den Nero heirathen zu können, mußte sie
erst von ihrem Manne, der sie herzlich liebte, geschieden und die
unschuldige Octavia verstoßen werden. Wer Agrippina nahm sich
der Verlassenen, in deren Schicksal sie ihr eigenes ahnete, an und
machte ihrem Sohne heftige Vorwürfe. Das war ihr Unglück.