180 Neue Geschichte. 2. Periode. Dreißigjähriger Krieg. 
warfen sie auch noch den Schreiber Fabricins, ein Werkzeug 
jener, der sich unter deitt Tische versteckt hatte, hinunter, eine Höhe 
von 60 Fuß. Aber brachen denn die Leute nicht Hals und Bein? 
— Sie fielen glücklicherweise auf einem Haufen Gemülle, und 
wankten mit gelähmten Gliedern nach Hause.*) 
Die Stände konnten nun wohl denken, daß der Kaiser die 
eigenmächtige That bestrafen würde. Darum trafen sie schnell 
Vorkehrungen. Sie besetzten das Schloß mit ständischen Truppen, 
ernannten 30 Directoren, welche die Regierung führen sollten, 
nahmen alle Beamte in Eid und Pflicht und die Einkünfte in Be¬ 
schlag; dann schrieben sie an den Kaiser und suchten ihr Verfahren 
bestmöglichst zu entschuldigen, aber zugleich warben sie Truppen 
und forderten die Schlesier, Mährer, Lausitzer, Oestreicher und 
Ungern auf, mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen. Den 
Erzbischof von Prag, dön Abt von Braunau, viele andere Prälaten 
und die Jesuiten jagten sie aus dem Lande. Der Kaiser erschrak, 
und da er damals kränklich und überhaupt furchtsam war, so wollte 
er auf des Cardinals Clesel Rath lieber mit den Böhmen unter¬ 
handeln, als Gewalt brauchen. Aber dagegen setzte sich sein Vetter 
Ferdinand. „Gott selbst," sagte dieser, „hat die Böhmen mit Blind¬ 
heit geschlagen, daß sie durch diese erschreckliche That zeigten, daß 
* ihr Betragen nicht aus Gott, sondern aus dem Teufel sei. Dem¬ 
nach halte ich dafür, daß nichts übrig bleibe, als zu den Waffen 
zu greifen." 
2. Der unglückliche Kurfürst von der Pfalz, Fried¬ 
rich V. Noch kein Jahr nach jener That auf dem Schlosse in 
Prag starb Kaiser Matthias (1619) und fand im Grabe die Ruhe, 
die er auf dem Throne nicht gefunden hatte. Er starb zu rechter 
Zeit, um noch größeren Uebeln zu entgehen; denn der Krieg hatte 
wirklich schon begonnen. Graf Thnrn schlug zwei kaiserliche Heere 
(Dampierre und Bouquoi), die nach Böhmen einrückten, zurück und 
siel in Mähren und Oestreich ein; allenthalben nahm ihn das Volk 
mit Freuden aus und erhob sich gegen den Kaiser; ja, Thurn drang 
bis Wien vor, wo sich Ferdinand befand, und belagerte es. Wirk¬ 
lich war Ferdinand in der mißlichsten Lage. Ueberall offene Em¬ 
pörung oder heimliches Mißvergnügen. Schon pfiffen die Kugeln 
der Böhmen durch sein Schloß, und, um seine Verlegenheit voll- 
*) Das Zimmer des Prager Schlosses, in welchem dies geschah, ist bis heute 
ganz so gelassen, wie es damals war.
	        
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