Iß Neue Geschichte. 1. Periode. Reformation. 
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wort schuldig, und kein Monat verging, ohne daß nicht ein oder 
das andere Schriftcheu von ihm erschienen wäre. Alle seine Schriften 
wurden nicht nur in Deutschland begierig gekauft und gelesen, son¬ 
dern selbst in Paris, Rom und anderwärts war eifriges Nachfragen 
danach. Sein ärgster Feind war Doctor Eck, Prokanzler auf der 
Universität Ingolstadt in Baiern, ein recht hochmüthiger, aufgebla¬ 
sener, tückischer Mensch. Erst versuchte er Lutheru niederzureden, 
denn er hatte eine gewaltige Streitfertigkeit; aber bei Luther richtete 
er damit nichts aus, weil Eck nicht vermochte, ihn aus der Bibel, 
in welcher Luther trefflich bewandert war, zu widerlegen. Das 
geschah vornämlich im Juli 1519 in Leipzig, wo Eck Luthern zu 
einer Disputation herausgefordert hatte, die mehrere Wochen dauerte, 
aber nichts entschied, weil jeder, wie das ja bei allen gelehrten 
Streitigkeiten der Fall ist, sich den Sieg zuschrieb. Als Luther 
mit einigen andern Professoren von Wittenberg nach Leipzig fuhr, 
begleiteten ihn an 200 Studenten, die mit Spießen und Hellebarden 
neben seinem Wagen herliefen. Die guten Leute wollten sorgen, 
daß ihrem geliebten Lehrer kein Leid zugefügt würde. Aber ver¬ 
geblich war diese Disputation doch nicht gewesen; denn Luther 
fühlte sich nun angetrieben, den Ursprung der päpstlichen Gewalt 
näher zu untersuchen, und zu seinem Erstaunen fand er in der 
Geschichte die deutlichsten Beweise, daß es Jesus nie eingefallen 
war, einen Statthalter auf Erden einzusetzen, daß also die ganze 
Macht des Papstes nichts als Anmaßung, daß das ganze Ge¬ 
bäude der römischen Kirche großenteils auf Eigennutz, Dünkel und 
Herrschsucht gegründet und mithin völlig unchristlich wäre. Von 
diesen Tagen in Leipzig an erkannte Luther mit voller Deutlichkeit, 
daß er sich von dem Papstthums und der römischen Kirche voll¬ 
ständig lossagen müsse; für ihn war fortan die heilige Schrift der 
einzige Grund des Glaubens und Christus allein das Haupt der 
Kirche. 
Wir haben noch eine Schilderung übrig, wie Luther damals 
aussah, von einem Manne, der mit ihm in Leipzig war. „Martin 
ist," so schreibt er, „von mittler Leibeslänge, hager von Sorgen 
und Studiren, so daß man fast die Knochen durch die Haut zählen 
könnte, anttoch von männlichem und frischem Alter und klarer er¬ 
habener Stimme. Er ist aber voll Gelehrsamkeit und fürtrefflicher 
Wissenschaft der Schrift, so daß er gleichsam alles an den Fingern 
herzählen kann. Seinem Leben nych ist er höflich und freundlich, 
und hat nichts Sauertöpfisches und Strenges an sich, ja er kann
	        
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