Erster schlesischer Krieg. 
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man hätte sich nicht wundern können, wenn sie, eine schwache Frau, 
den Muth verloren hätte. Aber sie zeigte einen männlichen Geist 
und bewies, daß jedes Unglück durch standhafte Ausdauer endlich 
zu überwinden ist. Als die feindlichen Heere unter dem Kurfürsten 
von Baiern nur noch wenige Tagemärsche von Wien entfernt stan¬ 
den und alle Kostbarkeiten des Hofes schon nach Preßburg geschafft 
wurden, berief sie die ungarischen Stände, die ihr mit großer Er¬ 
gebenheit anhingen, nach Preßburg und trat in Trauerkleidern 
mitten unter sie, die ungarische Krone auf dem Haupte, das könig¬ 
liche Schwert an der Seite. Majestätisch schritt sie durch den Saal 
und stieg zum Throne hinan. In lateinischer Sprache hielt sie 
eine Rede voll Feuer, in welcher sie ihnen ihre bedrängte Lage 
vorstellte. „Verlassen von allen vorigen Freunden," so schloß sie, 
„habe ich keine andere Zuflucht, als zu eurer Treue. Ich werfe 
mich in eure Arme und erwarte schleunige Hülfe." Diese Worte 
und die Thränen, die ihr dabei in die Augen traten, rissen die 
graubärtigen Magnaten zur Begeisterung hin. Sie schwangen die 
Säbel und riefen mit nassen Augen: „Leben 'und Blut! Wir wollen 
sterben für unsere Königin Maria Theresia!" — Sechs Tage 
darauf ereignete sich eine noch rührendere Scene, als die Abgeord¬ 
neten der Ungern sich vor ihrem Throne einfanden, um den Schwur 
des Gemahls der Königin zu empfangen. Franz rief dabei aus: 
„Mein Blut und mein Leben für die Königin und das Königreich 
Ungarn!" Da nahm Maria Theresia ihren Sohn Joseph, einen 
zarten Säugling, auf den Arm, zeigte ihn der Versammlung, und 
alle riefen abermals ftendebegeistert: „Wir wollen sterben für unsere 
Königin Maria Theresia!" Die Ungern haben auch Wort gehalten 
und ihrem treuen Beistände verdankte Maria Theresia vorzüglich 
ihre Errettung aus der großen Bedrängniß. Keiner ihrer Feinde 
machte ihr aber so viel zu thun als Friedrich II., und er behauptete 
Schlesien, trotz aller Anstrengungen, ihn hinauszutreiben. Vorher 
hatte er bei Czaslau oder Chotusitz in Böhmen einen Sieg 
über sie erfochten (1742). Zuletzt schloß sie im dritten Jahre des 
Krieges Frieden mit ihm in Breslau,*) in welchem sie ihm fast 
ganz Schlesien, so weit es jetzt noch preußisch ist, überließ und 
nur froh war, diesen gefährlichen Feind los zu sein. 
*) Der Präliminarfriede wurde in Breslau, der eigentliche Friede in Berlin 
abgeschlossen (Juli 1742). 
Weltgeschichte für Töchter. III. 16. Aufl. 21
	        
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