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Neueste Geschichte. 1. Periode. Frankreich.
wie in den übrigen Städten gewüthet. Die Deputirten des Con¬
vents bildeten aus verworfenem Gesindel eine Mörderbande, eine
sogenannte republikanische Legion; zu Hunderten wurden die Roya¬
listen niedergeschossen oder dem Schaffst überliefert.
Wahrend die französischen Heere Sieg auf Sieg erfochten,
drückte eine eiserne Tyrannei das Volk zu Boden. Wer nicht
Jacobiner war, wurde für verdächtig erklärt; wer sich durch
Talente, Tugend, Gelehrsamkeit oder Wohlhabenheit auszeichnete,
war keinen Augenblick sicher, ins Gefängniß gebracht zu werden,
und wer hier einmal war, wurde nicht leicht wieder frei, sondern
endigte unter der Guillotine, die jetzt den ganzen Tag in Bewegung
war. Es schien, als wären die gräßlichen Zeiten unter Tiber,
Calignla und ähnlichen Ungeheuern wiedergekommen. Die Gefäng¬
nisse reichten nicht mehr hin; jedes öffentliche Gebäude wurde zum
Kerker eingerichtet. Täglich wurden größere oder kleinere Haufen
ohne weitere Untersuchung auf Karren nach dem Richtplatze ge¬
führt. Eine Thräne, die man über die Hinrichtung eines theuern
Verwandten vergoß und die von den lauernden Kundschaftern be¬
merkt wurde, oder ein Blick des Mitleids, auf ein vorbeigeführtes
Schlachtopfer geworfen, war schon hinlänglich, jemand auf die Liste
der Geächteten zu bringen. Gutgekleidete Leute wurden für ver¬
dächtig gehalten und konnten froh sein, wenn sie dem Gefängnisse
und dem Tode entgingen. Menschen dagegen mit schmutziger Wäsche,
in zerlumpten und schmutzigen Kitteln, mit ungekämmten fliegenden
Haaren, eine Jacobinermütze auf dem Kopfe, mit zerrissenen Bein¬
kleidern, wurden als echte Vaterlandsfreunde gepriesen. Man
nannte solche Lumpenkerle Sansculotten, und sie hielten diese
Benennung für einen Ehrentitel. So war es nicht allein in Paris,
sondern in allen Städten. Ueberall waren Revolutionstribunale
und Guillotinen.
Vor allen suchten Robespierre und Danton sich derer zu ent¬
ledigen, die sie für ihre offenen oder heimlichen Feinde hielten. So
wurden an einem Tage 42 Conventsdepntirte, an einem andern
gar 73 gnillotinirt. Nun wurde auch der unglücklichen Königin
der Proceß gemacht. Nach der Hinrichtung des Königs hatte sie
anfangs noch im Tempel gefangen gesessen, wo man fortfuhr, sie
auf alle Weise zu kränken. Am 3. Juli 1793 erschienen Magi¬
stratsbeamte und theilten ihr den Beschluß mit, daß der Dauphin
von der Familie getrennt und in ein noch engeres Gefängniß ge-