2 I. Germanien und die Germanen.
2. Die Germanen im Kriege. Den germanischen Mann erblickte
man selten ohne Waffen. Sie galten ihm als schönste Zierde; sie
begleiteten ihn nicht bloß in den Krieg, auch zu ernsten Beratungen und
zu fröhlichen Gelagen, ja zuletzt ins Grab. Und wie verstand er
sie zu führen! Als ein furchtbares Kriegsvolk erschienen die
Germanen selbst den kampfgeübten Römern. Den tapfersten Legions-
soldaten überlief ein Grauen, wenn die blonden Recken in dichtgedrängten
Scharen heranstürmten und die römischen Reihen mit ungestümem Anprall
zu durchbrechen suchten. Wahrhaft furchterregend war der Anblick der
Barbaren. Sie kämpften halbnackt und von keiner Rüstung beengt;
nur durch grellangestrichene, mannshohe Schilde aus Flechtwerk war
ihr Leib geschützt. Das Haar flatterte im Winde und wurde selten durch
einen Helm aus Leder oder Metall gedeckt; wohl aber hatten sich manche
der kühnen Streiter, um die Feinde zu schrecken, die Kopfhaut eines er¬
legten Auerochsen oder Hirsches mitsamt dem riesigen Geweih aufs
Haupt gesetzt. In der Rechten schwangen die Kämpfer die schwere
Lanze, die Frame, deren scharfkantige Spitze tiefe Wunden schlug,
oder die Keule, die aus dem knorrigen Holze eines zähen Baumes
geschnitzt und im Feuer gehärtet war, oder endlich die schneidende Streit-
axt von keilförmiger Gestalt. Und wie verstärkte den unheimlichen
Eindruck der wilde Schlachtgesang, der dem von ferne grollenden
Donner glich! Selbst vor dem Mute der germanischen Frauen war
der Römer auf der Hut. Denn es wurde erzählt, daß die Ger-
maninnen nicht nur die wankenden Reihen ihrer Männer durch Bitten
und Drohungen aufgehalten, sondern auch, daß sie anstelle der Ge¬
fallenen die Schlacht fortgesetzt, manchen Tapferen niedergeschlagen und
zuletzt sich mit eigner Hand getötet hatten, um der entwürdigenden
Gefangenschaft zu entgehen.
3. Die Germanen im Frieden. Die Römer kamen aber später
auch in friedlicher Weise mit den Germanen in Berührung und
lernten so den gefürchteten Gegner genauer kennen. Bald wußten sie
mancherlei Vorzüge von seiner Art zu rühmen. So fiel es einem
römischen Geschichtsschreiber vorteilhaft auf, daß die Frau nicht, wie
bei andern Völkern, gering geachtet oder gar als Sklavin des Mannes
angesehen wurde, sondern dem Gatten als treue Gefährtin zur
Seite stand; die Germanen trauten ihr sogar zu, sie könne die Zukunft
verkünden.
Über alles galt den Bewohnern Germaniens die Treue. Das
Versprechen, den Eid hielten sie unverbrüchlich: ein Mann, ein
Wort! Bekannte wie Fremde fanden gastfreundliche Aufnahme.