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IV. Die Völkerwanderung.
gewährte sie gern, denn die Goten waren ein tapferer Volksstamm
und konnten ihm bei den schweren Zeitläuften gewiß nützen. So ließ
er sie über die Donau in die Gegend des heutigen Bulgarien ein-
rücken und versprach zugleich, durch seine Beamten für ihre Verpflegung
Sorge tragen zu lassen. Aber darüber kam es bald zu Streitig¬
keiten. Die Goten waren mit dem, was ihnen geliefert wurde, nicht
zufrieden; sie litten Mangel und mußten, wie es heißt, sogar
Hundefleisch essen. Über solche Behandlung empört, erklärten sie den
Vertrag für erloschen und zogen plündernd durch das Land.
Kaiser Valens sah sich genötigt, ihnen entgegenzutreten, aber sein Heer
wurde im Jahre 378 bei Adrianöpel vernichtet; er selbst fand auf
der Flucht den Tod.
Sein Nachfolger Theodöfins kam den Siegern entgegen und
wies ihnen Wohnsitze in Jllyrien an. Dort blieben sie eine
Zeitlang und verhielten sich ruhig. Sie lebten ganz nach ihren eignen
Gesetzen und taten, was sie wollten. Das war dem Kaiser nicht an¬
genehm ; aber er mußte es aus Furcht vor ihrer kriegerischen Tüchtig¬
keit dulden.
Schon zu Beginn des vierten Jahrhunderts hatten römische Kaiser
ihr Reich geteilt; die Regierung des ganzen war für einen Herrscher
zu schwer. Auch Theodösius teilte es vor seinem Tode im Jahre 395
unter seinen beiden Söhne. Honörius erhielt den Westen mit der
Hauptstadt Ravenna, Arkädius den Osten mit der Hauptstadt
Konstantinöpel. Seitdem unterschied man ein west- und ein oft-
römisches Reichs
Der Westgote Alarich in Italien. Gründung des Westgotenreiches
in Südgallien. 419. Bald hatte sich bei den Westgoten ein junger, tat¬
kräftiger König an die Spitze gestellt: Älarich. Er geriet mit dem
oströmischen Kaiser in Streit und zog mit den Seinen plündernd
durch die ganze Balkanhalbinsel. Da trachteteArkadinsdie nnbe^
qttemen Fremdlinge loszuwerden und schickte sie seinem Bruder ins
Land. So siel Alarich in Italien ein und rückte bis vor Rom. Die
Stadt, die seit vielen Jahrhunderten keinen Feind mehr vor ihren Mauern
gesehen hatte, wurde ringsum eingeschlossen. Bald waren die Lebens¬
mittel aufgezehrt; eine furchtbare Hungersnot brach aus, und Tausende
starben dahin. Erst als die Römer ein ungeheures Lösegeld
zahlten, zog der Gewaltige ab. Allein es dauerte nicht lange, so er¬
schien er im Jahre 410 von neuem. Diesmal wurde die Stadt von
den Goten erobert und schrecklich geplündert.