Folgen des Dreißigjährigen Krieges. 187
wurde 1648 der Dreißigjährige Krieg geendigt, der unglücklichste, welchen
unser Vaterland je geführt hat. Von der Eider bis zur Donau, vom
Rhein bis zur Oder — überall herrschte gleiche Not, gleiche Zerstörung,
gleiches Unglück. Zwei Dritteile der Einwohner hatte das Schwert, die
Pest und der Hunger hinweggerafft. An die Stelle von Dörfern und
Städten waren Wüsteneien und an die von Wiesen und Feldern wild auf-
geschossene Waldungen getreten.
In Deutschland hatten sich im 16. Jahrhundert nach Aufrichtung Deutsch-
des Landfriedens, nach Beilegung der Bauernkriege und der ersten religiösen
Zerwürfnisse Ackerbau, Gewerbe und Handel vor fast allen Staaten Europas '
gehoben. Während Frankreich, Spanien und England durch innere Kämpfe
zerrüttet und gelähmt wurden, stand der Handel der deutschen Städte in
hoher Blüte, noch wenig beeinträchtigt von den neugefundenen Seewegen.
Die Hansa besaß ihre Privilegien in Dänemark und England, wenn gleich
der Versuch des Lübeckschen Bürgermeisters Georg Wullenweber, die Herr-
schüft des Bundes über den Norden neu zu befestigen, fehlschlug und mit
der Hinrichtung des Urhebers endete (1537). Rhein und Main waren
durch den Verkehr Nürnbergs mit Antwerpen belebt. Die Handelsstraße
von Danzig nach Genua, wie die von Hamburg nach Venedig führte durch
das Innere von Deutschland. In Augsburg wohnten die reichsten Wechs-
ler der Welt, die Fugger und Welser. In Wien hatten Ungarn, Polen
und Böhmen ihren Verkehr. Dieser Betrieb und Zusammenfluß von Geld
und Waren war von den wohltätigsten Folgen für die umliegenden Land-
schaften, überall herrschte Wohlstand und Reichtum. Frisch und regsam waren
auch die geistigen Bestrebungen, die Reformation hatte die Kräfte der
Nation in Bewegung gesetzt.
Einen vollkommen entgegengesetzten Anblick bot das Reich nach Verfall
dem Westfälischen Frieden. Wenn auch der Ackerbau sich durch Fleiß der durch den
Bewohner allmählich wieder erhob, lag doch der Handel für lange Zeit Krieg,
darnieder. Schon früher hatte die Königin Elisabeth der Hansa den Ver-
kehr nach England verboten, wodurch der Bund nicht nur dort, sondern
auch an andern Handelsplätzen bedeutend verlor. Den inneren Verkehr
und den Transport der Waren durch das Reich hemmte der Krieg und
nötigte, auf andere Straßen zu denken. So sank die Hansa immer mehr
und vererbte schließlich ihren Namen allein aus die Städte Hamburg, Lübeck und
Bremen, welche schon 1630 ein besonderes Bündnis geschlossen hatten.
Der fehlende Verkehr wirkte höchst nachteilig auf Gewerbe und Industrie,
so daß Deutschland auch in dieser Beziehung weit hinter die Niederlande,
hinter England und Frankreich zurücktrat.
Schlimmer als alles äußere Unheil war, daß der Krieg die alte deutsche
Zucht und Tüchtigkeit vernichtet hatte, daß Deutschlands geistiges Leben
darniederlag und Frankreich seit dem Westfälischen Friedensschluß einen
überwiegenden Einfluß auf unseres Volkes Sprache, Wissenschaft, Kunst und Nachteiliger
Sitte gewann. Man ahmte die französischen Moden nach, auch wenn sie
in den abenteuerlichsten Gestalten erschienen. Wülste um die Hüften, Schna-" ™ '
belfchuhe, Schleppen und weitausgeschnittene Kleider kamen in Aufnahme.
Die deutsche unb spanische Männertracht, die den Körper geschmackvoll unb
zweckmäßig bekleidet hatte, wurde kürzer und enger; in Frankreich schlug
man zuerst die Zipfel und Schöße der Wämser zurück, woraus allmählich