Deutscher Befreiungskrieg 1813—1815. 237
und Mittel ersonnen wurden, das Volk von innen heraus zu erneuern
und dadurch zu befähigen, das Joch der Fremdherrschaft zu brechen, und der
sodann solche geistige Erneuerung mit unerschütterlicher Festigkeit, Umsicht
und Weisheit zum Ziele geführt hat. Dieser Staatsmann war Heinrich v. Stein,
Friedrich Karl, Freiherr vom und zum Stein, zu Nassau an geb. 1757.
der Lahn am 26. Oktober 1757 geboren. Sein Vater war Geheimer Rat
bei dem Kurfürsten von Mainz. Die Jugendzeit verlebte Stein in seinem
Geburtsort und bezog dann, 16 Jahr alt, die Universität Göttingen, um sich
(1773—1777) dem Studium der Rechte und der Staatswirtschaft zu widmen.
Nachdem ein Jahr beim Reichskammergericht zu Wetzlar gearbeitet und hierauf
zu seiner weiteren Ausbildung einen Teil Europas bereift hatte, trat er^> 6 f,
1780 in den preußischen Staatsdienst. Seit seiner Anstellung Staats-^
zeichnete er sich in verschiedenen Teilen des Landes als Berwaltungsbe- diener
amter aus und wegen seiner Tüchtigkeit und Umsicht allseitig erprobt, 1780.
berief man ihn (Oktober 1804) als Finanz- und Handelsmiuister Minister
nach Berlin. 1804.
Ju dieser Stellung war er es insbesondere, der nach der Niederwerfung
Preußens durch Napoleon (1806—1807) in den maßgebenden Kreisen die Preußen»
Ansicht vertrat, daß nur durch eine völlige Änderung der bisherigen Re-
gierungs- und Verwaltungsgrundsätze eine Wiedererhebung des Staates
zu erwarten sei. Steins Plan war: das Volk wieder für die Teilnahme
am Gedeihen des Landes zu beleben, es daher in geeigneten Vertretern zu
der Leitung des Ganzen heranzuziehen, die bisher unterdrückten Stände
von den aus dem Mittelalter überkommenen Lasten und Fesseln zu be-
freien und ein allgemeines freies Staatsbürgertum zu begründen.
Zur Durchführung dieser Reformen wurde Stein vom König an die r ,
Spitze des Ministeriums gestellt und ihm (September 1807) das große-. |nj!!Ler
Werk der Neugestaltung des Staates übertragen. Bereits im Oktober er- ' i807.
schien ein Erlaß „über den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch
des Grundeigentums", welcher die bestehenden Hindernisse bei Erwerbung
von Grund und Boden aufhob und namentlich den Bauernstand von
einer Menge Lasten und Schranken befreite. Ebenso wurde im folgenden
Jahre (1808) das Rechtsverhältnis des Bürgerstandes und die freie
Verwaltung seiner Angelegenheiten durch selbst gewählte Behörden mittelst
der neuen „Städteordnung" geregelt.
Damit das so in seinen Verhältnissen und Rechten sittlich und geistig
gehobene Volk auch das Bewußtsein seiner Kraft, sowie den Mut zur
Abwerfung der Fremdenjochs gewinne, unternahm Stein darauf mit Scharn-
Horst (S. 232) die Herstellung einer volkstümlichen Wehrverfassung.
Daneben ermöglichte er die Zahlung der Kriegsschuld und die Befreiung
von den drückendsten Verpflichtungen gegen den harten, übermütigen Sieger.
Aber kaum ein Jahr hatte Stein als Minister gewaltet, als er durch
einen Machtbefehl Napoleons I., welcher Kundschaft von den Befreiungs-
planen Preußens erhalten hatte, zur Abdankung (November 1808) ge- rt ■
zwungen wurde, ein Befehl, dem bereits im nächsten „Monat die Achts- S„n
erklärung folgte, worauf sich der Verbannte nach Österreich begab. 1808-
Ehe aber Stein sein Vaterland verließ, legte er die Grundsätze
seiner Staatsverwaltung in einem Sendschreiben an die preußische Re- sein
gierung nieder, welches unter der Bezeichnung „Steins politisches Testa- Testament.