Full text: Für den Unterricht in Mittelklassen berechnet (Kursus 2)

44 Alte Geschichte. 
nelia aber, als sie nun auch ihre Schätze zeigen sollte, rief ihre Söhne herbei 
und sagte, auf sie hinweisend: „Diese sind meine einzigen und größten Schätze!" 
— Die Brüder entwickelten sich sehr verschieden, traten aber mit ihrem 
Leben für dieselbe Sache ein. Tiberins (geb. 164) war sanft, gelassen und 
bescheiden; Gajus, der neun Jahre jüngere, war stürmisch, rasch und an- 
maßend. Beide besaßen die Gabe der Rede: der ältere rührte und über- 
zeugte seine Zuhörer, der jüngere riß sie gewaltig mit sich fort, wurde aber 
im Eifer oft so anzüglich, daß er einen Sklaven bei sich hatte, der ihn, 
wenn er in Schmähungen ausbrechen wollte, durch den Ton einer Flöte an 
Mäßigung erinnern mußte. Tiberius lebte einfach und zurückgezogen; Gajus 
machte Aufwand und liebte besonders die Freuden der Tafel. 
Tiberius. 2. Tiberius hatte als 18jähriger Jüngling unter seinem Schwager 
Scipio den Kriegszug gegen Karthago mitgemacht und soll zuerst die Mauer 
dieser so hartnäckig verteidigten Stadt (146) erstiegen haben. Im Kampfe 
Numantia gegen Nnmantia^ trug er (137) als Quästor wesentlich zur Rettung des 
137- Heeres bei. Schon auf seiner Reife dahin soll er beim Anblicke der ver- 
armten Landleute sich gelobt haben, als Retter des gedrückten Volkes anfzn- 
treten. Dieses wollte er durch Eigentum besonnen, durch Arbeit auf eigenem 
Grund und Boden wieder stark und selbständig machen. Bei seiner Rück- 
Tribun kunft nach Rom bewarb tr sich daher um das Amt eines Volkstribunen 
133. und erhielt es im Jahr 133. Alsbald erneuerte er das licinische Gesetz, 
Autrag. nach welchem kein Bürger mehr als 500 Joch von den Staatsländereien 
besitzen sollte; erlaubte jedoch, daß ein Vater für jeden noch unter seiner 
Aufsicht stehenden Sohn 250 Joch mehr besitzen dürfe; das übrige Land 
sollte, zu kleinen Gütern vermessen, unter die besitzlosen Bürger verteilt werden. 
Die reichen Grundbesitzer waren aber nicht gesonnen, etwas abzutreten. 
m°i -bef brachten daher einen der zehn Tribunen, den reichen Oktav ins, auf 
atim ihre Seite, und dieser legte, als Tiberius seinen Vorschlag vom Volke ge- 
nehmigen lassen wollte, das ihm zustehende „Veto" ein. Tiberius sparte 
nicht Bitten uud Vorstellungen; doch als es nichts fruchtete, rief er aus: 
„Die wilden Tiere haben ihre Höhlen und Lagerstätten, aber diese Bürger 
haben nichts denn Luft und Tageslicht; nnstät schweifen sie umher, nirgends 
finden sie Obdach und Wohnung. Nur für Wohlleben und Reichtum 
anderer müssen sie streiten — heißen Herren der Welt und haben keine 
Scholle Landes zu eigen!" Oktavius wiederholte aber auch jetzt noch feine 
Einrede. Da erklärte Tiberius, er sehe keinen anderen Ausweg, als daß 
Annahme er oder sein Gegner entsetzt werde. Und so nahm man dem Oktavius das 
des Gesetzes. Amt. Darnach ward das Ackergesetz bestätigt, und drei Männer: Tiberius 
selbst, sein Bruder Gajus und sein Schwiegervater Appius Klandius, 
erhielten den Auftrag, dasselbe durchzuführen. 
Die Vornehmen, darüber schon aufs höchste entrüstet, wurden noch 
Erbe des mehr gereizt, als Tiberius vorschlug, daß die Schätze des Königs Attalus 
Attalus. von Pergamus 1, welcher die Römer zu Erbeu seines Reiches eingesetzt hatte 
(133), unter das Volk verteilt werden sollten, um diesem die Mittel zum 
Ankauf von Ackergerätschaften zu gewähren. Sie verdächtigten nun alle 
seine Schritte, sagten, er strebe nach der Alleinherrschaft und habe bereits 
1 Numantia, Stadt in Spanien, am obern Dnero, in der Gegend des 
heutigen Soria. — Pergamus, Hauptstadt des pergamenischen Reiches, im Nord- 
Westen von Kleinasien.
	        
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