96 Die Einigung Deutschlands.
dem Abgeordnetenhause durch gegenseitige Nachgiebigkeit bei-
gelegt.
Der Norddeutsche Bund. Mit den deutschen Staaten n ö r d -
lich des Mains vereinigte sich Preußen zum Norddeutschen
Bunde. Das Großherzogtum Luxemburg, das damals in Personal-
union mit dem Königreich der Niederlande verbunden mar (seit
1890 ist es selbständig unter der ehemaligen Herzogsfamilie von
Nassau), trat dem Norddeutschen Bunde nicht bei. An der Spitze
des Bundes stand der König von Preußen als erbliches
Bundeshaupt. Die gesetzgebende Gewalt lag bei dem Bun-
d e s r a t e, der im wesentlichen eine Fortsetzung des alten Bundes-
tages war, und beim Reichstage, der eine Vertretung des
norddeutschen Volkes auf Grundlage des allgemeinen, gleichen
und direkten Wahlrechtes war. Der preußische Ministerpräsident
Graf Bismarck" wurde Bundeskanzler. Der Norddeutsche
Bund war ungleich dem ehemaligen Deutschen Bunde ein sestge-
schlossener Bundesstaat mit einheitlicher Kriegsmacht, einer Fülle
gemeinsamer Aufgaben und geleitet von einem einzigen Staate,
der alle anderen an Bedeutung und Macht weit überragte.
V. Der deutsch-französische Krieg (18YO—1871) ♦
1. Die Ursachen des Krieges.
Napoleon III. hatte durch feine Kriege gegen Nutzland und
gegen Osterreich wieder Frankreich die ausschlaggebende Stelle in
der europäischen Politik verschafft. Dieser äußere Erfolg befrie-
digte die Ruhmbegierde und Ehrliebe der Nation und befestigte
des Kaisers Macht im Innern. Aber der Ruhm des preußischen
Heeres, die Vergrößerung des preußischen Staates und die poli-
tische Erstarkung Deutschlands weckten den Neid und die
Eifersucht des französischen Volkes; beruhte doch von
jeher Frankreichs Macht auf der Zerrissenheit und Uneinigkeit des
deutschen Nachbarlandes. Es bildete sich in Frankreich eine Kriegs-
Partei, die unter der Losung „Rache für Sadowa" (nach dem
Dorfe Sadowa bei Königgrätz bezeichneten die Franzosen die
Schlacht) zum Kampfe gegen Preußen drängte.
Bismarck wurde nach dem Abschluß des Gasteiner Vertrages von König
Wilhelm in den Grafenstand, nach dem Kriege mit Frankreich (1871) in den
Fürstenstand erhoben.