Full text: [Teil 2,3] (Teil 2,3 für Untersekunda)

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Das Zeitalter Wilhelms I. 
Sommer 1849 zum Oberbefehlshaber der Operationsarmee in Baden 
und der Pfalz ernannt, schlug er in einem sechswöchigen §eldzug den Auf- 
stand nieder und errang hier seine ersten eigenen Siege. Ende des Jahres 
wurde er zum Generalgouverneur von Rheinland und Westfalen ernannt 
und nahm für die nächsten Jahre seinen Wohnsitz in Koblenz. 
§ 89. Die Regentschaft und die Heeresreform. Da führte ihn, 
der schon die Sechzig überschritten hatte, die Erkrankung des Königs 
an die Spitze des Staates. Zunächst übernahm Wilhelm die Stellvertretung 
des Königs, die aber, da keine Besserung in dem Befinden seines Bruders 
eintrat, im Oktober 1858 in eine Regentschaft umgewandelt wurde. Die 
erste Tat des Regenten war die Bildung eines neuen Ministeriums, des 
vi™ Ministeriums der neuen Ära, an das er im November eine bedeutungs¬ 
volle Ansprache hielt, in der er die Grundsätze seiner Politik entwickelte 
und vor allem die dringende Notwendigkeit einer Heeresorganisation 
ankündigte: „Die Armee hat Preußens Größe geschaffen und dessen 
Wachstum erkämpft; ihre Vernachlässigung hat eine Katastrophe über sie 
und dadurch über den Staat gebracht, die glorreich verwischt worden ist 
durch die zeitgemäße Reorganisation der Heeres, welche die Siege des 
Befreiungskrieges bezeichneten. Eine 40jährige Erfahrung und zwei kurze 
Kriegsepisoden haben uns indes auch jetzt darauf aufmerksam gemacht, daß 
manches, das sich nicht bewährt hat, zu Änderungen Veranlassung geben 
wird. Dazu gehören ruhige politische Zustände und — Geld, und es 
wäre ein schwer sich bestrafender Zehler, wollte man mit einer wohlfeilen 
Heeresverfassung prangen, die deshalb im Momente der Entscheidung 
den Erwartungen nicht entspräche. Preußens Heer muß mächtig und 
angesehen sein, um, wenn es gilt, ein schwerwiegendes politisches Gewicht 
in die Wagschale legen zu können." Die Berufung Moltkes an die Spitze 
des Generalstabes gehörte auch zu den ersten Regierungshandlungen 
des Regenten. 
reform öie Mängel in dem preußischen Heerwesen traten bald darauf deutlich 
zutage, als Wilhelm, bereit, in den österreichisch-italienischen Krieg ein¬ 
zugreifen, die Mobilmachung seiner Armee im Juni 1859 anordnete. 
Das Wehrgesetz von 1814 war noch immer in Kraft. Nach ihm wurden 
jährlich 40 000 Mann ausgehoben, während viel mehr Wehrfähige zur 
Verfügung standen, da die Bevölkerung von 11 auf 18 Millionen gestiegen 
war. Daher mußten alte verheiratete Landwehrleute bei der Mobil- 
machung zu den Sahnen eilen, während junge kräftige Leute zu Hause 
blieben. „Mit aller Sorgfalt und Kraft" ging nun Wilhelm an die 
Reorganisation des Heeres, „sein eigenstes Werk", wie er mit Stolz 
sagen durfte. Sein Plan ging dahin, jährlich 63 000 Mann aus¬ 
zuheben, den dreijährigen Dienst bei den Zahnen beizubehalten, den 
in der Reserve aber von zwei auf vier Jahre auszudehnen und den in
	        
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