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Assurbanipal gelang es, die kleineren Fürsten von Unterägypten zu
unterwerfen, doch war wegen der Unruhen in dem großen assyrischen Reiche
die Besetzung Ägyptens keine dauernde. Die Hauptkraft des assyrischen Reiches
verzehrte sich int Kampfe mit dem aufrührerischen Babylon, und die Grausam-
feit, mit der Assurbanipal die Einwohner der eroberten Länder behandelte,
erweckte überall das Verlangen, das assyrische Joch abzuschütteln.
Doch enthält der Charakter dieses Herrschers auch angenehme Züge;
so ließ er die Tempel seiner Gottheiten reich schmücken, in Ninive einen großen
Palast e'.bauen, und da er von Jugend auf in Künsten und Wissenschaften
der Babylonier erzogen war, gründete er eine Bibliothek, von deren reichen
Beständen im vorigen Jahrhundert viele Taufende von Tontaseln aus dem
Ruinenhügel Knjundschik ausgegraben und dem Britischen Museum zu London
einverleibt wurden.
Unter seinen nächsten Nachfolgern begann sodann der Verfall der
assyrischen Herrschaft, da kein inneres Band die Völker verknüpfte, die das
Schwert dem assyrischen Zepter unterworfen hatte. Von Norden her brachen
scythische Kriegsvölker in das Reich; in Babylon empörte, sich der Statthalter
Nabopolassar, bemächtigte sich der Stadt und nannte sich König von
Babylon. In Vereinigung mit den Medern gelang es ihm, Ninive nach
zweijähriger Belagerung zu erobern. Die Stadt blieb seitdem unbewohnt,
und ihre Paläste verwandelten sich bald in jene Ruinen, über denen sich
jetzt der Hügel Kujundschik erhebt.
4. Jas Neuöaöykonische Weich von 607—538 v. Chr. Nabop o-
lassar (607—605), der erste neubabylonische König, wurde Erbe des
Assyrischen Reiches mit Ausnahme von Assyrien selbst, das an Medien fiel. Da
sich der Pharao Necho II. Syriens bemächtigte und bis zum Euphrat vordrang,
schickte Nabopolassar seinen Sohn Nebukadnezar zur Wiedereroberung der
verlorenen Gebiete gegen den ägyptischen König, der in der Schlacht bei
Karchemisch (605) am Euphrat besiegt wurde.
Nebukadnezar (605—562) Hot Babylonien zur ebenbürtigen
Erbin der assyrischen Großmacht, Babylon zu einer der prächtigsten Städte
des Altertums gemacht. Er stellte die zerfallenen Kanäle wieder her, ver¬
schönerte Babylon durch großartige Prachtbauten, unter ihnen den Marduf-
tempel, das siebenstufige Nationalheiligtum, das mit Gold und Silber über-
reich geschmückte Wunderwerk der damaligen Zeit, verband die Ufer des
Euphrat durch eine mächtige Brücke und legte die schwebenden Gärten der
Semiramis an. Die Ägypter wurden besiegt, Phönizien, dessen Hauptstadt
Tyrus dreizehn Jahre Widerstand leistete, kam unter die Herrschaft der Baby¬
lonier, und die Juden wurden in die babylonische Gefangenschaft geführt.
Der letzte König Nabono d ns von Babylon, der sich mit dem König Krösus
von Lydien verbündet hatte, wurde vou Cyrus besiegt und die Stadt Babylon
(538) erobert. Das Land wurde eine persische Provinz,') später ein Teil des maeedo-
nischen Reiches und kam hieraus an die Römer. Heute ist dieses älteste Kultur-
laud eine vernachlässigte Provinz des türkischen Reiches. Seine Fruchtbarkeit
und sein Reichtum gehören der Geschichte an, seine mächtigen Städte und
stolzen Paläste bilden weite Trümmerhaufen.
') „Belfazar" von Heine.