Full text: Allgemeine Erdkunde, Länderkunde der außereuropäischen Erdtheile ([Bd.] 1)

§. 22. Wärmeverhältnisse. Isothermen. 95 
Tages gibt. Aus den Tagesmitteln berechnet man dann die Monats- 
mittel, die Mittel der Jahreszeiten, wobei man December, Januar und 
Februar dem Winter zntheilt, und so sort, und zuletzt das Mittel des 
einzelnen Jahres. In den Tropenländern der Erde, deren klimatische 
Verhältnisse viel regelmäßiger sind als die der gemäßigten und kalten 
Zone, genügen wenige Jahre, um die Mitteltemperatur eines Ortes 
festzustellen, bei uns aber weichen die einzelnen Jahre noch bedeutend 
von einander ab (in Hannover z. B. hatte in den Jahren 1857—1866 
das Jahr 1859 eine Temperatur von 10», das Jahr 1864 dagegen 
nur 8°,2), so daß es der Beobachtungen einer längeren Reihe von 
Jahren bedars, um die mittlere Wärme eines Ortes zu bestimmen. 
Vertheilung derWärmeüber die Erdoberfläche. Jso- 
thermen. Wäre die Erde eine mit durchaus gleichförmiger Ober- 
fläche bedeckte Kugel, so würde diese mittlere Wärme, bedingt durch 
die ungleiche Zeitdauer von Tag und Nacht und die Richtung, in 
welcher die Sonnenstrahlen die betreffende Erdstelle erreichen, nur von 
der geographischen Breite abhängig sein. Es würde dann nur der 
Beobachtung der mittleren Wärme eines Punktes der Erde bedürfen, 
um daraus die Wärmeverhältnisse aller übrigen ableiten zu können, 
und alle Orte gleicher geographischer Breite würden dieselbe Tempe- 
ratnr haben müffen. Aber die Vertheilung von Land und Waffer, 
Meeresströmungen, Windrichtungen, die verschiedene Beschaffenheit des 
Bodens, ob Wüste, Wald- oder Sumpfland, bewirken eine andere 
Vertheilung der Wärme. Um sich davon Rechenschast geben zu können, 
hat zuerst Humboldt (1817) die Orte, welche gleiche mittlere Jahres- 
temperatur zeigen, durch Linien verbunden, welche er Isothermen 
nannte (Fig. 38). Ihre ungleiche Entfernung von einander und ihre 
verschiedenartige Krümmung gibt uns ein Bild der ungleichen Ver- 
theilung der Wärme auf der Erde. Wo die Isothermen nahe bei 
einander liegen, nimmt die Wärme vom Aequator schneller ab, als 
dort, wo sie weiter von einander abstehen. Die Isotherme von 12»C. 
schneidet z. B. die Ostküste von Nordamerika bei Neuyork, die von 
22» am Nordende der Halbinsel Florida (Breitenabstand beider Orte 
etwa — 10°); an der Ostküste Südamerikas liegt die entsprechende 
Isotherme von 22° bei Rio de Janeiro, die von 12» in der Mitte der 
Patagonischen Küste (Breitenunterschied — 20»). Im ersteren Falle 
werden die in ihrer Verbreitung durch die Wärme bedingten Produkte 
des Thier- und Pflanzenreichs sich rascher ablösen, als im letzteren 
Falle, und das ist von großem Einfluß auf die Culturentwickelung 
der Völker, da nah gelegene Gegensätze leichter zum Austausch auf- 
fordern. Es ist dies ein Hauptgrund für die frühe EntWickelung der 
Cnltur am Mittelländischen Meer. Wo die Isothermen in polwärts 
gerichteten Bogen die Parallelkreise durchschneiden, sind erwärmende 
Einflüsse thätig, im entgegengesetzten Falle erkältende. So zeigt sich, 
daß aus der nördlichen Halbkugel die Westküsten der Continente inner- 
halb der gemäßigten Zone auffallend wärmer find, als die Ostküsten. 
Es läuft z. B. die Isotherme von 0» im Westen Amerikas durch die 
Halbinsel Alaska (60»N. Br.), im Osten nördlich von der Belleisle-
	        
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