minder nährte die Zurückgezogenheit des Waldlebens, welches auch Physische
Kraft und Abhärtung erzeugte, de» Familiensinn iSippengemeinschast), ein
starkes Unabhängigkeit^ und Freiheitsgefühl, sowie den früh wirksamen Son-
dergeist der Germanen. In der Waldnatur des Landes liegt daher die Erklärung
für das krafterfüllte, sieghafte Wesen und die eigenartige Geschichte der ger-
manischen Stämme. — Die Vorliebe des deutschen Volkes für den Wald, der
Reichtum seiner Sprache an Bildern, seiner Märchenwelt an Stoffen, die dem
Walde entlehnt sind, haben darin noch ihren Ursprung.')
Die Flüsse, von denen die Römer den Rhein mit Main und
Lippe, die Ems, die Weser, die Elbe und als südlichen Grenzfluß
die Donau kannten, überfluteten von Zeit zn Zeit die angrenzenden
Gebiete, wodurch sich Sümpse und Moräste bildeten, die den Verkehr
hinderten.
Doch fehlte es nicht an fruchtbarem Ackerland, auf dem die Deut-
scheu Roggen, Hafer, Gerste, Flachs und Gemüse aller Art zogen. Weizen
wurde selten gebaut. Edles Obst war unbekannt; Rettiche, oft von der
Größe eines kleinen Kindes, wie Plinius berichtet, wurden selbst von den
feinschmeckenden Römern nicht verachtet. Auf grasreichen und gutbewässerten
Wiesen weideten zahlreiche Kühe und Pferde. Die Pferde waren klein
und unansehnlich, aber kräftig gebaut und ausdauernd im Lausen; den
Kühen fehlte vielfach der Schmuck des Kopfes, die Hörner. Auch Schafe
und Ziegen gab es, und bald fand sich als ein Zeichen vollendeter
Seßhaftigkeit das Schwein.
Fast unbekannt waren noch die Schätze des Bodens; er lieferte Salz,
das auch aus der See gewonnen wurde, reichlich Kupfer und etwas Eisen,
das fast nur zur Anfertigung der Waffen benutzt wurde. Bernstein fand
Mail an den Küsten der Ostsee, einiges Gold in den Flüssen.
2. Die Bewohner. Die Bewohner dieses Landes, die Germanen,
wie sie von deu Römern genannt wurden, waren in grauer Vorzeit
aus Asien, der Wiege der Menschheit, in Europa eingewaudert und nahmen
mehrere Jahrhunderte v. Chr. das Land zwischen Donau, Rheitt und
Nordsee in Besitz. Sie bilden einen Zweig der arischen oder indo¬
germanischen Völkerfamilie, zu der auch die Juden, Perser, Griechen,
Römer und Kelteu gehören. Obwohl sie ein Volk mit derselben
Sprache nn!> Religion, denselben Sitten und Rechtsanschauungett waren,
verband die einzelnen Stämme doch kein staatliches Band. Nicht einmal
einen gemeinschaftlichen Namen führten sie; denn den Namen Genna-
neu, vielleicht „Rufer im Streit" oder „Nachbarn", erhielten sie von
2) Znrbonfen, Repetitionsfrage.