Full text: Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staates und der Neuzeit seit dem Westfälischen Frieden (Teil 3)

nannte. Friedrich Wilhelm I. sah wohl ein, daß bei der Eifersucht seiner 
Nachbarn zur Erhaltung und Vermehrung seines Landes ein stets schlag- 
fertiges Heer unbedingt notwendig sei. Auch war er überzeugt, daß selbst 
hohe Ausgabe» für ein steheudes Heer viel geringer seien, als der 
große Nochteil, den cht unglücklicher Krieg dem Lande bringt. Er der- 
mehrte deshalb das Heer von 38000 Mcntn aus 83000 Mann; 
die Uniform der einzelnen Truppenteile wurde genau bestimmt, und alle 
Soldaten mußten mit Strenge und Genauigkeit eingeübt werden. 
Das Heer war anfangs ein Söldnerheer, das mit allen Mitteln 
angeworben wurde. Später versuchte der König die allgemeine Wehrpflicht 
einzuführen. Die Wehrpflicht lastete jedoch fast allein auf den Bauern; 
die Bewohner der Städte waren frei, damit.sie ihre Gewerbe betreiben 
könnten. Er teilte das Land in ^Kantone ein; die Ausgehobenen 
(Kantonisten) mußten ein Jahr .bei der^ Fahne dienen, .später wurden 
sie zu kürzereu Übuugeu eingezogen.')' Gehorsam, Pünktlichkeit 
und Sauberkeit waren die vornehmsten Soldatentugenden, auf 
Manneszucht wurde streng gehalten (Gassenlaufen), Fahnenflucht 
anf das härteste bestraft. Fürst Leopold vou Dessau, der Schöpfer 
der preußischen Infanterie, stand dem König hierbei treu zur Seite.5' 
In seinen Offizieren suchte der König das Ehrgefühl zu wecken; 
auch ließ er sie nicht mehr von den Obersten auswählen, sondern stellte, 
sie selber au uud sah hierbei nicht so sehr auf Abstammung und Her- 
fünft, als vielmehr auf Anlage und Tüchtigkeit. Um einen guten 
Nachwuchs für die älteren Offiziere zu Haben, gründete er zu Berlin 
das Sta delteukorps. 
Er traf ferner die Einrichtung, daß den Rekruten Unterricht 
in der Religion, im Lesen, Schreiben uud Rechnen erteilt wurde. — 
Für die Kinder verstorbener Soldaten gründete er das Militär- 
Waisenhaus zu Potsdam.' 
Auffallend war des Kölligs Vorliebe für recht große Soldaten, „lauHe 
Kerls", und sein Leibregimeut in Potsdam war eine wahre Riesengarde 
von 4000 Mann. Es befand sich unter ihnen keiner, der nicht wenigstens 
1,88 m Hoch war; der Flügelmann Jonas maß sogar 2,5f> m. Wo man von 
einem recht großen Menschen hörte, da suchten des Königs Werber ihn durch 
eine große Geldsnmme, aber auch durch List und ©ewalt in ihren Besitz zu 
bringen. Auswärtige Fürsten konnten Friedrich Wilhelm keine größere Freude 
bereiten, als wenn sie ihm recht große Soldaten schickten. Diese Riesengarde 
wurde ganz besonders tüchtig einexerziert und bildete das Mnsterregiment 
für das ganze Heer./ 
') Die Kantonisten erhielten eine rote Halsbinde. Heute schmücken sich 
die ausgehobenen jungen Leute mit Blnmen und bunten Bändern.
	        
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