Fünftes Kapitel.
Seit 1871.
Die Hoheuzolleru als Könige von Preußen und Deutsche Kaiser.
Erster Abschnitt.
Z>ie Kaiserproktamation.
Die schönste Frucht des glücklich geführten Krieges war bereits er-
rangen, ehe es zum Frieden kam: die Einigung Deutschlauds
unter dem Preußenkönige Wilhelm I. als Oberhaupte.
Schon unch den ersten großen Siegen hatten die süddeutschen Re-
gierungen Verhandlungen angeknüpft, um dem Norddeutscheu Bunde bei-
zutreten. Im Hauptquartier zu Versailles wurden diese Verhandlungen
weitergeführt. Als im Mouat Dezember der König Ludwig II.
von Bayern im Namen samtlid)er deutscheu Fürsten nnd
freien Städte und eine Abordnung des Norddeutschen Bundes an
König Wilhelm den Antrag stellten, das Dentfd)e Neid) wieder¬
herzustellen und die Kaiserwürde zu übernehmen, konnte der Helden-
snrst diesem einhelligen Rufe vou ganz Deutschland seiu Ohr uicht
mehr versehließeu. Im Spiegelsaale zu Versailles, dem Ahnen-
saale Ludwigs XIV., wurde am 18. Januar 1871 König Wilhelm,
nmgeben von den Fürsten und Vertretern des dentsd)en Volkes, feierlich
zum erblichen Deutscheu Kaiser ausgeruseu.')
Fraukreick) verlor seine vorherrschende Macht in Europa; au seiue
Stelle trat Deutschland, national geeint unter dein Kaisertum der
Hohenzollern.
*) Erg. Nr. 37 und 38. Vergleiche Gottschalls Gedichte: „Hymne auf
das Deutsckie Reich." Wacker, Lesebuch III, Nr. 64, und „Proklamation Kaiser
Wilhelms 1. an das deulsche itiolt", Wacker, Lesebuch III. Nr. 198.