Full text: Erzählungen aus der Geschichte des Mittelalters in biographischer Form (Teil 1)

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Heeres. Man traf die Bestimmung, daß Franzosen und 
Engländer in der Bestürmung von Acre einen Tag um den 
andern abwechseln sollten, und dieser Wetteifer brachte die 
Einwohner, deren Bedrängnis aufs höchste stieg, dahin, daß 
sie sich auf einen Vertrag hin ergaben. Es wurde ihnen 
freier Abzug gestattet, wobei sie jedoch außer ihren Kleidern 
nichts von ihrer Habe mitnehmen dursten; zugleich sollte 
Sultan Saladin beiden Königen 200 000 Goldstücke für die 
Lösung der Gefangenen auszahlen. Als bei dem Einzug in 
die Stadt Herzog Leopold von Ostreich, der sich bei der 
Belagerung ausgezeichnet hatte, seine Fahne auf einen Turm 
pflanzte, ließ der stolze Richard sie herunterreißen und in 
den Koth treten, indem er behauptete, solches Recht stände 
nur Königen zu, und Leopold sei nur ein Herzog. Dieser 
war zum Widerstande zu schwach, verschob die Rache und 
bezog ein Lager vor der Stadt. *) 
Auch Philipp August fand den Übermut und die Roh- 
heit Richards unerträglich, zugleich fühlte er sich von dessen 
glänzender Tapferkeit in Schatten gestellt, und beschloß daher 
die Heimkehr. Den größten Teil des Heeres ließ er jedoch 
zurück, und gelobte vor seiner Abreise eidlich, in Richards 
Abwesenheit diesem keinen Schaden zuzufügen, ja ihn sogar 
gegen andere verteidigen zu wollen. 
Saladin vermochte das ausgedungene Lösegeld nicht so- 
gleich herbeizuschaffen. Da ließ der grausame Richard 2000 
Gefangene aus der Stadt auf eine Wiese führen und un- 
barmherzig niedermetzeln. Über diese blutige That empfand 
er auch in der Folge keine Reue und rechtfertigte sie noch mit 
den Worten: „ich habe gethan, was sich gebührte!" Und 
doch waren diese Männer, welche Richard hier niederhauen 
ließ, so wacker, daß selbst ein christlicher Augenzeuge von 
*) Andere erzählen diesen Vorfall folgendermaßen: Als Richard 
die von Saladin zerstörten Mauern Ascalons wieder ausbauen ließ, 
wollte er zu diesem Geschäft vorzüglich die Deutschen brauchen; aber 
Herzog Leopold weigerte sich dessen mit den Worten, er sei kein Mau- 
rer oder Zimmermann. In seinem Zorn ließ Richard Leopolds 
Fahne von dessen Gezelt herabreißen und durch den Koth schleifen. 
Unwillig verließ Leopold mit den Deutschen augenblicklich das Mor- 
genland, vergab aber die erlittene Schmach nicht.
	        
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