Full text: Erzählungen aus der Geschichte des Mittelalters in biographischer Form (Teil 1)

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die Italiener ihn mit dem Geheul wilder Tiere oder dem 
Rumpeln eines Lastwagens über einen Knütteldamm verglichen 
und Alcuin über die entsetzliche Tölpelhaftigkeit klagte, mit der 
er bei den Franken zu kämpfen hatte. Nicht minder sorgte 
Karl für besseres Verständnis der heiligen Schrift, indem er 
einzelne- Teile derselbe in die Muttersprache übersetzen ließ. 
Um den öffentlichen Gottesdienst zu heben, trug er dem gelehrten 
Longobarden Paul Warnefried auf, eine Sammlung von Pre- 
digten und Betrachtungen aus den Kirchenvätern zu veranstalten 
welche den Namen Postille*) erhalten hat. 
Um die geistige Bildung seiner Völker zu fördern, legte 
Karl Schulen an, die mit den Kirchen und Klöstern verbunden 
waren, und in denen Lesen, Schreiben und die christliche Lehre 
die Hauptgegenstände des Unterrichts ausmachten. Zu Lehrern 
bestellte er geschickte Männer aus Italien und Griechenland, 
und gründete auch an seinem Hose eine Schule, in welche 
alle seine Diener, hohe und niedere, ihre Söhne schicken mußten. 
Emmal trat er selbst in die Schulstube, hörte eine Zeit lang 
zu und ließ sich dann die schriftlichen Arbeiten der Schüler 
zeigen. Die Geschickten mußten alle auf seine rechte, die Un- 
geschickten auf seine linke Seite treten, und hier fand es sich, 
daß die letzteren meist die Söhne vornehmer Eltern waren. 
Er wandte sich zu den fleißigen aber armen Kindern und 
sagte: „Ich freue mich, meine lieben Kinder, daß ihr gut ein- 
schlagt; bleibt dabei und werdet immer vollkommener. Ihr 
verfolgt euer wahres Beste, und zu seiner Zeit soll euch mein 
Lohn nicht fehlen. Ihr aber. — und hier wandte er sich 
zornig zur Linken, — ihr Söhne der Edlen, ihr feinen 
Püppchen, die ihr euch so reich und vornehm dünkt, und des 
Wissens nicht not zu haben meint, ihr faulen unnützen Buben, 
ich sage euch bei Gott! euer Adel und eure hübschen Gesichter 
gelten nichts bei mir; von mir habt ihr nichts Gutes zu 
hoffen, wenn ihr euere Faulheit nicht durch eifrigen Fleiß 
wieder gut macht!" 
Um für die Bildung seines Volkes zu sorgen, widmete 
*) Die Betrachtung schloß sich an die Worte des Textes an und 
begann deshalb mit: post illa (nämlich verba textus): nach jenen 
Worten des Textes. Daher der Name Postille.
	        
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