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Rudolf von Habsburg.
Tritte Periode.
Von Rudolf von flobsburg bis zur Reformation
(1273-1517).
Allgemeine Uebersicht. Seit dem Untergange der Hohenstaufen ist
die Macht der Kaiser, die Einheit des Reiches nnd die Herrlichkeit
Deutschlands ins Grab gesunken. Kaiser aus verschiedenen Häusern
suchen vor allem durch Gründung einer großen Hausmacht ihr
Uebergewicht über das selbständige Fürstentum zu wahren; aber erst
am Ende der Periode gelingt es den Habsburgern, durch glück-
liche Benutzung der Verhältnisse und besonders durch geschickte Hei-
ratsverbindungen dieses Ziel zu erreichen. Bis dahin giebt es zwar
viele Kriege und Kämpfe, aber nirgends geschieht etwas Großes und
Erhebendes. Nichtsdestoweniger geht die Kraft des deutschen Volkes
nicht unter. Einzelne Fürstenhäuser zeichnen sich durch Umsicht
und Tapferkeit aus; vor allem aber bewahrt das deutsche B ür-
g er tum, welches erst jetzt zu seiner wahren Macht emporsteigt, die
alten deutschen Tugenden des Fleißes, der Biederkeit und der That-
kraft. — Tie Herrschaft der Kaiser ist auf das Papsttum über-
gegangen, das besonders in Deutschland mit einer nie gesehenen Macht
schaltet. Allein diese Herrschaft gereicht der Kirche nicht zum Segen;
zunächst sinkt sie in unwürdige Abhängigkeit von Frankreich, wird
dann durch eine große Kirchenspaltung (Schisma) zerrüttet
und verfällt zuletzt in eine so große Sittenverderbnis, daß der
Wunsch nach einer Verbesserung an Haupt und Gliedern ein allge-
meiner wird.
1273-1291 § 1. Rudolf von Habsburg (1273—1291).
Nach dem Tode Richards von CornWallis (1272) setzte
die alte kaiserliche (ghibellinische) Partei, an deren Spitze der kluge
Erzbischof von Mainz, Werner von Eppenstein, und der Burg-
gras Friedrich III von Nürnberg, aus dem Hanse der Hohen-
zollern, standen, die Wahl Rudolfs, des Grafen von Habsburg,
Kiburg und Lenzburg, Landgrafen im Elsaß, durch. Rudolf, bereits
55 Jahre alt, hatte früher treu auf der Seite Friedrichs II gestanden
und in Privatfehden Proben von Tapferkeit und Schlauheit abgelegt.
Er galt für leutselig und für einen Freund der Städter. Seine
Macht war für einen Grafen bedeutend, für einen König nur gering.
Daher hoffte man von ihm eine gerechte Regierung, ohne die lieber-
macht der Krone zu befürchten. Tie meisten Fürsten erkannten den
Gewählten an; nur Ottokar von Böhmen hielt sich fern.