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Die neuesten Ereignisse im Ausland.
auf der Halbinsel Korea den chinesischen Einfluß durch den
eigenen zu ersetzen. Die chinesische Regierung lehnte es ab, den
Japanern gleiche Rechte auf der Halbinsel einzuräumen, worauf am
1. August 1894 die japanische Kriegserklärung erfolgte. In den nun
beginnenden Kämpfen zeigte sich die Überlegenheit der japanischen
Kriegskunst. Der Feldmarschall Jamagata bemächtigte sich durch den
Sieg bei Pjöng-Jang 1894 der Herrschaft über Korea. Die Er-
stürmung von Port Arthur im November durch ein anderes japa-
nisches Heer und die Einnahme der Seefestung Wei-hai-wei führten
im März 1895 zum Abschluß eines Waffenstillstandes und im April
zum Frieden von Schimon ose ki. China mußte 500 Mill. Mark Kriegs-
kosten zahlen, die Insel Formosa an den Sieger abtreten und einen
Handelsvertrag mit ihm eingehen. Von diesem Zeitpunkt an stieg das
Ansehen der Japaner in der europäischen Welt. Europäische Uni-
versitäten, namentlich Berlin, werden mit Vorliebe von Japanern be-
sucht, die sich sehr schnell und gut die Kenntnis moderner Sprachen
aneignen. Bisher hatte man sie wesentlich auf kunstgewerblichem
Gebiet schätzen gelernt. In ihren Farbenholzschnitten und
Metallarbeiten haben sie der europäischen Welt eine Fülle in-
teressanter Anregungen geboten. Die Holzschnitte schildern uns wie
ein Tagebuch das innerste Leben des japanischen Volkes; sie zeigen
uns seine Verehrung für die sanfte, etwas gezierte Anmut seiner
Frauen und für die warme Schönheit seiner Heimat, das heitere
Leben der Straße und die pathetische Wiedergabe der Heldenzeit im
Theater. Außer den Griechen, die uns in ihren bemalten Vasen
ein treues Spiegelbild ihres täglichen Lebens hinterlassen haben, gibt
es kein Volk, dessen Empfinden und Wesen wir so wie in einem
Bilderbuch vor uns sehen, wenn wir eine Ausstellung japanischer
Farbenholzschnitte besuchen oder unsere Aufmerksamkeit ihren hoch-
interessanten Bronzen zuwenden.
Ohne Kenntnis der Grundzüge feiner Religion kann man Japans
große nationale Kultusbronzewerke kaum würdigen. Ihre Götterbilder
schufen die Japaner in riesigen Maßen aus Bronze. Ihnen allen
ist eine eigenartige Kopffenkung, die beschauliche Händelage, der Aus-
druck der feierlichen Größe und das stille Loslösen von allem Irdischen
eigentümlich.
Neben Buddha bildeten die Japaner eine große Anzahl anderer
Götter in Bronze in den mannigfachsten Gestalten, je nach der zum
Ausdruck kommenden Geistestätigkeit. Einige dieser Götter verehren
sie in zweiunddreißig Gestalten. Vorzüglich gerne bildet der Japaner
die sieben Götter des Glücks: der Liebe, der Ehre, des Talents, des