Full text: Ausgewählte Abschnitte der Weltgeschichte, Einführung in die geschichtliche Lektüre (Teil 7)

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einst im Mittelalter, durch die deutsche Geschichte. Auf dem Fuße 
der Gleichberechtigung mit Österreich, dessen Schwerpunkt in den 
Grenzmarken des Reiches liegt, erhebt sich im Herzen des Reiches 
das Brandenburg des Großen Kurfürsten. Es überflügelt die übrigen 
Einzelstaaten, zeigt sich dem Auslande (Frankreich, Schweden) ge¬ 
wachsen und vertritt unbewußt die nationalen Gesamtinteressen. 
„Werden und Wachsen des brandenburgisch-preußischen Staates ist 
von nun an der Ausgangspunkt für die deutsche Reichsgeschichte" 
(Ranke). Die Eifersucht des Kaisers erwacht. Er zieht die erledigten 
schlesischen Fürstentümer ein und läßt auch den Großen Kurfürsten 
im Frieden von St. Germain 1679 Frankreich gegenüber im Stich, 
so daß der Kurfürst fast alle Eroberungen in Schwedisch-Pommern 
wieder herausgeben muß. „Möge aus unserm Geschlecht einst ein 
Rächer erstehn!", so läßt die Sage den Verlassenen bei der Unter¬ 
zeichnung des Friedens rufen. Auch Friedrich Wilhelm I. empfand 
bitter den Gegensatz Österreichs; das Herzogtum Berg, das der Kaiser 
ihm garantiert hatte, gab dieser im Wiener Frieden 1738 an Pfalz, 
und gekränkt sprach der König, auf den Kronprinzen deutend, die 
ahnungsvollen Worte: „Hier steht einer, der mich rächen wird!" 
Und er rächte ihn. Friedrich erhob Preußen zur deutschen Gro߬ 
macht neben Österreich; die Erfolge des Königs verschärften den 
Gegensatz der beiden Mächte, und es entstand nun jene Zweiheit 
(Dualismus), die fortan die nationale Wiedergeburt erschwerte. 
1785 schuf Friedrich den deutschen Fürstenbund; es war der erste, 
wenn auch rasch vorübergehende Versuch, deutsche Staaten unter 
Preußens Führung gegen Österreich zu vereinigen. 
Nach den großen Schwankungen der napoleonischen Zeit ging 
Preußen aus dem Wiener Kongresse als wesentlich deutscher 
Staat hervor, während Österreich vorwiegend slawisch wurde; 
jenes wuchs in Deutschland hinein, dieses aus Deutschland hinaus. 
Gleichwohl behauptete der Kaiserstaat Preußen gegenüber die 
Führung im Deutschen Bunde. Dann gelang Preußen die 
Gründung des Zollvereins (1834), und es gewann als dessen 
Vormacht wenigstens auf dem wichtigen wirtschaftlichen Gebiete 
den Vorrang vor Österreich. Daß er ihm von Natur auch in politischer 
Hinsicht zustand, kam immer weiteren Kreisen zum Bewußtsein und 
wurde im Frankfurter Parlamente von der sog. kleindeutschen 
Partei im Gegensatze zu den großdeutschen, zu Österreich haltenden 
Politikern vertreten. Aber die Staatsmänner der habsburgischen 
Monarchie verweigerten Preußen hartnäckig sogar die Anerkennung 
als gleichberechtigte Macht und beeinflußten in ihrem Sinne den 
Deutschen Bund. Die Ereignisse drängten Friedrich Wilhelm IV. 
nach Ablehnung der Kaiserkrone 1849 zur Gründung des Drei-
	        
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