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übertrug er ihm auch die Krone der spanischen Länder, und einige
Monate hernach legte er die deutsche Kaiserkrone nieder; durch der
Fürsten Wahl ging sie über auf seinen Bruder Ferdinand.
Aller weltlichen Bürde ledig, ging der Kaiser über die Pyrenäen
nach Estremadüra und erschien als „Pilgrim vor San Inste": Hispan'-
sche Mönche, tut mir auf die Tür! In einer kleinen, abgesonderten
Wohnung am Kloster verbrachte der Weltmüde als Einsiedler seine
letzten Tage; Gebet und Betrachtung, die Bestellung eines Gärt-
chens und Uhrmachern füllten seine einsamen Stunden. Im Herbste
1558 schied er im Alter von achtundfünfzig Jahren von dieser Welt —
der letzte große Kaiser des alten Reiches.
Der Titel „Majestät", den nach Karls Beispiel die Kaiser und
Könige des Abendlandes führen, erinnert noch heute an die einstige
Machtfülle dieses als Klausner gestorbenen Herrschers.
Deutsches Leben um die Mitte des 16. Jahrhunderts.
§ 31. In der Stadt. Aus den politischen Wirren der Zeit richtet
sich unser Blick auf das friedliche Bild der deutschen Stadt.
Wohlbewehrt durch Türme und Mauern liegt sie da. Gegen
die neue Belagerungsart, die sich der Kanonen bedient, sind die
Mauern durch hinterliegende Erdwälle verstärkt; die Straßen sind
jetzt meist gepflastert. Man kennt bereits überdeckte Wasserleitungen,
Badeanstalten, Wein- und Bierkeller. Zwischen den hochgiebeligen
Fachwerkhäusern mit dem buntbemalten Schnitzwerk ihres Gebälkes
ragen zahlreiche stattliche Steinbauten auf; an Stelle des „Wind-
auges" der Schindeldächer erblickt man hie und da bereits Schorn-
steine. Gotische Türmchen schmücken die beliebten Erker. Verwittert
liegen abseits alte Klostergebäude; in protestantischen Städten dienen
ihre Räume zu Schulen, Amtsstuben, Wohnungen oder Magazinen.
Die Läden der Handwerker und Gewerbtreibenden sind nach der
Straße offen. Gute Geschäfte machen besonders die Gold- und Silber-
schmiede, sowie die „Buchführer", d. h. Buchhändler, deren Bilder,
Flugschriften und Kalender, „gedruckt in diesem Jahr", die Neu-
gierde reizen.
Die bürgerliche Tracht zeugt von Wohlstand. Die Männer
gehen in bequemen Wämsern, deren geschlitzte Ärmel bunt unterlegt
sind; Vornehme tragen darüber die „Schaube", einen pelzbesetzten,
ärmellosen Mantel. Den Kopf bedeckt ein dunkles, oft famtnes
Barett. Die Kleidung der Frauen ist von „fürwitzigem Überfluß".
In schwerem, faltenreichem Schleppkleide schreitet die Patrizierin
einher; eine hohe spanische Krause, der „Mühlsteinkragen", umschließt
den Hals, den Haaraufsatz deckt eine hohe, bebänderte Haube.