— 19 —
Immer neue Scharen brachen mit Weib und Kind, mit Karren
und Vieh, Sippe an Sippe, über dieGrenzen: die Zeit war gekommen,
daß die Herrschaft ganz an die Germanen überging.
§ 25. Die Hunnen. Einen mächtigen Anstoß erhielt die Be-
wegnng der germanischen Völker durch den Einbruch der 07^
Hunnen in Europa. Sie kamen aus den Steppen der
Mongolei und waren ein Reitervolk, wie die Kosaken. Ihr Auf-
treten erregte Entsetzen unter den Menschen. „Mit ihrem gedrungenen,
festen Gliederbau und starken Nacken", so schildert sie ein Zeitgenosse,
„gleichen sie roh behauenen Holzfiguren, wie man sie an Brücken¬
geländern sieht, und bei ihrem ungeheuerlichen Aussehen möchte
man sie für wilde Tiere halten. Ihre Lebensart ist wild und rauh
Bei der Zubereitung ihrer Speisen gebrauchen sie weder Feuer noch
Gewürz. Sie leben von den Wurzeln wildwachsender Pflanzen und
von dem halbrohen Fleische aller möglichen Tiere, das sie auf dem
Rücken der Pferde mürbe reiten. An ihre häßlichen, aber aus-
dauernden Pferde sind sie wie angewachsen; Tag und Nacht leben
sie auf ihnen. Dort kaufen und verkaufen sie, dort essen und trinken,
dort schlafen und träumen sie, indem sie sich vornüber auf den Hals
des Rosses beugen. Ohne feste Wohnsitze, ohne Obdach, ohne Gesetz
und Recht schweifen sie mit ihren Karren, die mit Fellen überzogen
sind, umher. Die Karren sind die Wohnungen ihrer schmutzigen
Weiber; dort weben die Weiber die groben Kleider, dort ziehen sie
die Kinder auf, bis sie erwachsen sind."
Vor dem furchtbaren Anpralle dieses Volkes, das wie ein
Geschlecht von Teufeln im Abendlande erschien, erlagen die O st -
g 0 t e n am Schwarzen Meer; ihr hundertjähriger König Ermanarich
gab sich verzweifelt den Tod, um die Schmach der Seinigen nicht zu
überleben.
§ 26. Älarich. Den Hunnen ausweichend, erbaten die W e st -
g 0 t e n Aufnahme in das römische Reich. Sie wurde ihnen gewährt,
und auf Flößen und in ausgehöhlten Baumstämmen setzte das be-
drängte Volk über die hochgehende Donau. Im heutigen Bulgarien
fand es neue Wohnsitze. Aber die Bedrückung durch die kaiserlichen
Beamten trieb die Ansiedler bald zu den Waffen; in einer Schlacht
beiAdrianöpel, 378, besiegten sie den Kaiser Valens, der
verwundet und hilflos in einer Bauernhütte verbrannte. Sein Nach-
folger Theodösius mußte den Frieden erkaufen.
Um das Reich besser gegen den Ansturm der Barbarenvölker
schützen zu können, teilte Theodosius es kurz vor seinem Tod qqjx
in eine v st - und eine we st römische Hälfte. Zu jener dJJ
Zeit nun erhoben die Westgoten einen ihrer vornehmen Jünglinge,
A l a r i ch , d. h. Allherrscher, mit Namen, als Heerkönig auf den
2*