Full text: Deutsche Geschichte im Mittelalter (Teil 4)

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die Ruderer. Das weiß- und rotgestreifte Segel fällt- die riesigen, 
linnengekleideten Nordmänner springen ins Wasser und waten 
verwegen ans Land. Heiß entbrennt am Gestade der Kampf. „Es 
schwirren die Pfeile, sausen die Speere; Steinhämmer und Bronze- 
schwerter prasseln auf die splitternden Schilde." Die Wikinger 
siegen, der letzte friesische Bauer sinkt nach verzweifelter Wehr in 
den Staub. Aus dem geplünderten Dorfe steigt die Flamme empor, 
und beutebeladen zieht das Raubschiff mit geblähten Segeln von 
dannen. 
Deutsche Zustände am Ende der Karolingerzeit. 
§ 69, In der Familie. Ein Blick auf das deutsche Haus zeigt uns 
bereits allerlei Verfeinerung. An die Stelle des Blockhauses ist ein 
Fachwerkbau getreten, der hie und da schon ein Obergeschoß, den 
„Söller", zeigt. Steinhäuser sind noch selten. Holzgitter verwahren 
die glaslosen Fenster, die Wintertags mit Matten behängt werden. 
Tische, Bänke und Truhen sind die Hauptgeräte; unter den Küchen- 
gegenständen blinkt bereits der kupferne Kessel. Hinter dem Hause 
liegt, von Obstbäumen umschattet, ein „Würzgarten"; hier zieht die 
Hausfrau außer Gemüse, wie Erbsen, Linsen und Rüben, auch Heil- 
pflanzen: Münze und Salbei, Rosmarin und Quendel. Rosen und 
Lilien blühen am Stock, und an der sonnigen Hauswand rankt die 
freundliche Rebe. 
Der Mann trägt leinene Beinbinden und einen kittelartigen 
Rock, die Frau schon Wollkleid und Haube. Die kleinen Mädchen 
spielen bereits mit einer Puppe; „Tocke" nannte man diese später. 
Alle Kleidungsstücke fertigt die weibliche Hand in der Familie selber 
an; Lieblingsfarben, die mit Waid und Krapp hergestellt werde?:, 
sind Blau und Rot, wie noch heutzutage auf dem Lande. 
In harter Arbeit, einfach und derb, verfließt das bäuerliche 
Leben. Alles wird noch mit eigener Hand hergerichtet, und die Feld- 
Wirtschaft bringt hervor, was die Familie braucht: Brot und Gemüse, 
Fleisch und Milch zur Nahrung, Flachs und Wolle zur Kleidung. 
Man kauft wenig, und das Geld ist rar. Nur selten erscheint ein 
fremder Händler, und die billigen Schmucksachen, Bronzewaren oder 
Tuche, die er anbietet, erregen das Staunen der weltfremden, „alt- 
fränkisch" lebenden Bauern. 
§ 70. Das Wirtschaftsleben. Wer damals die deutschen Lande 
durchwanderte, sah trotz aller Not der Zeit überall einen Wirtschaft- 
lichen Fortschritt. Zwar bedeckten noch immer den größten Teil des 
Bodens Wald und Heide, Sumpf und Moor, und namentlich in den 
Waldgebirgen hauste noch zahlreich wildes Getier, besonders Eber, 
Wölfe und Bären. Aber in allen Gegenden traf man turmgeschmückte
	        
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