Full text: Deutsche Geschichte im Mittelalter (Teil 4)

Köppen: Friedrichs II. Regierungsanfang. 195 
Es muß ein merkwürdiges Erwachen gewesen sein, als Friedrich 
am Morgen des 1. Juni 1740 im Berliner Schlosse darüber aus 
dem Schlummer fuhr, daß das Regiment von Glasenapp unter 
seinen Fenstern ihm, dem neuen Könige, den Eid der Treue schwur. 
Wenn am Tage zuvor der Schmerz über den Verlust seines könig¬ 
lichen Vaters alle anderen Empfindungen in ihm zurückgedrängt 
hatte, und wenn die Nacht die Eindrücke des Erlebten zum Teil 
wieder verwischt hatte, so regte sich jetzt mit voller Macht in ihm 
das Bewußtsein: „Ich bin der König!" 
Und königlich war sein Auftreten vom ersten Augenblicke seiner 
Regierung an. Bald nach der Eidesleistung der Truppen empfing 
Friedrich die Generale der Berliner Garnison und redete sie mit 
folgenden Worten an: „Wir haben unseren gemeinschaftlichen König 
und Herrn verloren und müssen uns darüber zu trösten suchen. Ich 
hoffe, Sie werden mir beistehen, die schöne Armee zu erhalten, welche 
Sie meinem Vater haben bilden helfen. Sie werden in mir einen 
Herrn finden, der Sie nicht weniger liebt, als der verstorbene, nicht 
mindere Sorgen für Sie tragen wird. An zwei Dinge will ich Sie 
erinnern. Das eine ist, daß die Truppen ebensowohl gut und 
brauchbar sein müssen, als schön; das andere, daß sie dem Lande, 
das sie beschützen sollen, nicht verderblich werden dürfen. Gegen 
einige von ihnen liegen Klagen über Härte, Habsilcht und Übermut 
vor; stellen Sie dieselben ab. Ein guter Soldat muß ebensowohl 
menschlich und vernünftig sein, als brav." 
Ebenso würdig lautete am folgenden Morgen (2. Juni) die An¬ 
sprache des Königs an die in Charlottenburg zur Eidesleistung ver¬ 
sammelten Minister. Er dankte ihnen für die seinem Vater geleisteten 
treuen Dienste und sagte ihnen, er wisse wohl, daß sie auch ohne 
Eid ihm ebenso treu dienen würden. „Es ist Unsere Meinung nicht," 
fuhr er fort, „daß Ihr Uns inskünftige bereichern und Unsere armen 
Unterthanen drücken sollet, sondern vielmehr, daß Ihr sowohl den 
Vorteil des Landes als Unser besonderes Interesse zu Eurem 
Augenmerk nehmet, inmaßen Wir zwischen beiden keinen Unter¬ 
schied setzen; ja, wenn beide sich nicht miteinander vertragen, muß 
des Landes Vorteil den Vorzug vor Unserem eigenen, besonderen 
haben." 
Von einem Sturze des bisherigen Systems, wie viele erwartet 
hatten, war nicht die Rede. Pflichttreue und Eifer, im Dienste seines 
Vaters bekundet, fanden auch unter ihm Anerkennung. Niemand 
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