Innere Zustände in Deutschland im 13. Jahrhundert. 67
§ 69. Das Rittertum. In den Tagen der Hohenstaufen genoß der
Stand der Ritter das höchste Ansehen. Ritterheere waren es, die in das
Morgenland zogen, Ritterheere begleiteten die Könige auf ihren Romfahrten,
deutsche Ritter wurden von ihnen in Mittel- und Unteritalien zu Her-
zögen und Markgrafen erhoben, deutsche Ritter eroberten Preußen und
Livland.
Man gehörte dem Stande nicht durch Geburt allein an, auch eine
besondere Erziehung war dazu erforderlich, um in ihn einzutreten. War
der Knabe von feinen Eltern an den Hof eines Fürsten gebracht und hier
im Waffenhandwerk und feiner Sitte erzogen worden, so begleitete er später
als Knappe seinen Herrn auf eiuer Kriegsfahrt und erhielt zuletzt den
Ritterschlag. Dieser höchste Ehrentag seines Lebens war von besonderer
Wethe umgeben. Nachdem er in der Nacht vor der Kirche, in der die ihm
bestimmten Waffen aufbewahrt wurden, Wache gehalten hatte, empfing
er am anderen Morgen vorm Altare den Ritterschlag, den letzten Schlag,
den er hinnehmen sollte, ohne ihn zu vergelten. Darauf wurden ihm Sporen,
Helm, Harnisch, Schwert und Schild angelegt. In der Regel folgte dann
ein Turnier. Dabei rannten die Ritter in Haufen aufeinander und brachen
Lanzen miteinander, oder Einzelkämpfe wurden ausgefochten. Der Sieger
empfing aus der Hand einer der zuschauenden Frauen den Preis. Kampf
gegen die Ungläubigen, Schutz der Witwen, Waisen und Kirchen, Treue
gegen den Herrn waren die Pflichten, die der Ritter übernahm. Hatte er
später von seinem Herrn ein Burglehen empfangen, so verfloß sein Leben
auf der einsamen, auf einer Bergeshöhe oder in Norddeutschlaud zwischen
Wald und Sumpf gelegenen Burg in Stille und Einförmigkeit; nur die
Jagd und der Kriegszug oder der seltene Besuch fremder Ritter oder fah-
render Sänger bildeten eine Unterbrechung.
Das ritterliche Leben spiegelt sich in der höfischen Poesie, die in
der Zeit der Hohenstaufen ihre höchste Blüte erreichte. Die großen Epen
Heinrichs vonVeldecke,Hartmanns vonAue, Wolframs von Eschen-
bach und Gottfrieds von Straßburg sind vom Geiste des Rittertums
erfüllt. Die Gedanken der staufischen Ministerialen über Kirche und Reich,
Fürsten und Herren finden wir in den Liedern Walters von der Vogel-
weide. Die großen Volksepen, die Nibelungen und das Gudrun-
lied, gehören nach ihrem Stoff und den in ihnen herrschenden Anschauungen
einer früheren Zeit an.
§ 70. Die Städte. Städte im eigentlichen Sinne kannte das frühere
Mittelalter nicht. Sie erscheinen im 11. Jahrhundert, im 12. mehrt sich
ihre Zahl, im 13. erfolgen zahlreiche Gründungen. Dreieinhalbhundert sind
damals in Norddeutschland allein angelegt worden. Eine Stadt muß einen
Markt und eine Befestigung haben („Bürger und Bauer scheidet nur
die Mauer"), sie hat ein besonderes Gericht, ist in späterer Zeit uu-
abhängig in der Ordnung ihrer Angelegenheiten, wird von einem
eigenen Stadtrat verwaltet, zahlt dem Landesherrn nur wenig Abgaben
und ist nur in beschränktem Umfange zum Kriegsdienst verpflichtet.
Der Germane brachte von vornherein dem Leben in der Stadt keine Vor-
liebe entgegen. Die römischen Städte (vgl. § 7) in der Rhein- und Donau-
gegend verfielen vielmehr noch während der Völkerwanderung. Zwar blieben
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